Wien - Niemand sei sakrosankt, wenn es darum geht, die Verantwortlichkeit für die Bundestheater-Misere zu untersuchen, sagte Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) unlängst. Der von ihm mit einem Rechtsgutachten beauftragte Anwalt Thomas Angermair hat nun, nach Durchsicht des desaströsen Rechnungshofberichts und aller Aufsichtsratsprotokolle, seine Empfehlungen abgegeben. Fazit: Ein weiteres Köpferollen wird es nicht geben.
Und Claudia Schmied, die Vorgängerin von Josef Ostermayer, dürfte doch sakrosankt sein. Denn Angermair sieht keine Möglichkeiten: Wenn man das Amt nicht mehr bekleidet (die SPÖ-Politikerin war von 2007 bis 2013 Kulturministerin), dann gibt es auch keine Ministerverantwortlichkeit mehr.
Angermair: "Kein Anhaltspunkt für Fahrlässigkeit"
Zudem hätte er, so Angermair zum STANDARD, keine Anhaltspunkte für ein strafrechtswidriges Verhalten feststellen können; Schmied dürfte lediglich gesetzliche Normen verletzt haben. Denn sie verlängerte die Verträge von Georg Springer als Chef der Bundestheaterholding und von Matthias Hartmann als Burgtheaterdirektor, ohne die Posten zuvor ausgeschrieben zu haben.
Auch gegen Michael Franz, der als Sektionschef für die Bundestheater verantwortlich war und ist, wird nicht vorgegangen. Franz sei, so Angermair zur "Presse", "ein gewissenhafter Erfüller der Vorgaben seiner Ressortchefin" gewesen: Er habe "ausschließlich die Aufträge seiner Vorgesetzten" ausgeführt. "Keine der ihm erteilten Weisungen war strafrechtswidrig oder überhaupt rechtswidrig."
Selbst die Aufsichtsräte der Burg und der Holding haben nichts zu befürchten: "Ich empfehle, nicht mit Klage gegen die Mitglieder vorzugehen", sagt Angermair. "Aus den Protokollen sehe ich keinen Anhaltspunkt für ein fahrlässiges Verhalten."
Kritik "überschießend"
Natürlich habe es im Konzern, ganz besonders im Burgtheater, "gravierende Mängel gegeben", und die Sorgfaltspflichten seien verletzt worden. Aber der Rechnungshof habe "aus meiner Sicht überschießend Kritik an der Holding und deren Organen" geübt, so Angermair "exklusiv" zur "Presse". "Das fängt damit an, dass man sich an der fehlenden Dreijahresplanung festbeißt. Sie hat ihre Ursache ausschließlich darin, dass man die für die Budgets erforderliche Basisabgeltung noch nicht zugesagt bekommen hat. Die Planungen waren vorhanden, die Budgets konnten aber nicht beschlossen werden, weil die Abstimmungsprozesse mit der Politik noch im Laufen waren."
Niemand scheint also wirklich verantwortlich zu sein, nicht einmal Georg Springer. Angermair hätte, wie er sagt, dem Minister abgeraten, ihn zu entlassen, falls dieser noch Chef der Bundestheater-Holding wäre. Springer trat, wie berichtet, Ende Juni zurück.
Aber: "Der RH-Bericht liefert Indizien für eine Organhaftung von Springer." Angermair empfiehlt daher, mögliche Ansprüche weiterzuverfolgen. Sollte Springer einem Verjährungsverzicht zustimmen, sieht der Anwalt vorerst keine Notwendigkeit, "gerichtliche Schritte zu setzen". Er drängt aber darauf, die offenen Prämienzahlungen einzubehalten, die sich aus den mit Franz vereinbarten Zielvorgaben ergeben könnten.
Vergleich mit Hartmann sei vorstellbar
Um zu beurteilen, ob Ersatzansprüche dem Grund nach bestehen, müsse man die Prozesse von Hartmann und seiner Vizedirektorin Silvia Stantejsky abwarten: "Wenn es den beiden gelingt, Teile der Verantwortung auf Springer abzuwälzen, ist die Konsequenz klar: Dann trägt Springer eine Mitverantwortung." Diese würde Hartmann und Stantejsky aber nicht exkulpieren. Der Rest von Angermairs Überlegungen ist theoretisch: Er kann sich einen Vergleich mit Hartmann vorstellen, sollte dieser die Schäden wiedergutmachen und die Klage beim Arbeitsgericht zurückziehen.
Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, reagierte auf die Empfehlungen von Angermair in der "Presse" erbost. Sie würden lediglich dazu dienen, "die Verantwortung des Ministeriums, der Ministerin und der beteiligten Kulturmanager zu reduzieren".
Inzwischen hat Ostermayer die Beraterfirma Integrated Consulting Group (ICG) für die Reorganisation der Bundestheater beauftragt. Bis Ende November soll Klarheit über die Zukunft der Holding herrschen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 8.8.2014)