"Mit Bedauern sehe ich den letzten 'Jagdplatz' mit den schlanken Gestalten der Dinka am Horizont verschwinden", notierte Hugo Adolf Bernatzik in seinem Fotobuch Zwischen Weißem Nil und Belgisch Kongo (Wien, 1929) zu diesem Foto eines Dinka-Mannes auf einem Termitenhügel, das er 1928 bei Kaka, im ehemaligen Anglo-ägyptischer Sudan aufgenommen hatte.

Foto: Photoinstitut Bonartes, Wien

Bei Kaka entstand auch dieses Foto der Dinka.

Foto: Photoinstitut Bonartes, Wien

Zwei Männer vom Volk der Talodi, aufgenommen von Bernatzik in den Nuba-Bergen 1927.

Foto: Photoinstitut Bonartes, Wien

Der spätere Ethnologe dokumentierte auch die kunstvollen "Shilluk-Frisuren“, so wie hier in Tonga, an der Mündung des Bahr el Zeraf in den Weißem Nil, ebenfalls im Jahr 1927.

Foto: Photoinstitut Bonartes, Wien

Wien - Seine Fotografien waren für ihn wie Jagdtrophäen: der grazile Dinka-Mann auf dem Termitenhügel mit dem auffälligen Armschmuck, die auf der Jagd rastenden Schilluk-Krieger, deren Speere im trockenen Gras liegen, die Vielfalt ihrer kunstvollen Frisuren oder der Nuer-Krieger, der seine Narben wie Ornamente trägt.

Es war seine Leidenschaft fürs Reisen und die Fotografie, die Hugo Bernatzik (1897-1953) zu seiner ersten Reise in den Anglo-Ägyptischen Sudan trieb. Gepaart war dies mit Fluchtgedanken, denn seine erste Frau starb früh. Insbesondere der Zufall hatte seine Finger im Spiel: Denn 1925 traf Bernatzik im Schönbrunner Zoo auf den über große Safari-Erfahrung verfügenden Bedrich Machulka, einem in Wien lebenden Lieferanten für exotische Tiere. Gemeinsam planten sie eine Jagd- und Fotoexpedition entlang des Blauen Nils und seiner Quellflüsse, finanziert durch Wildtierfänge. Die Fangerlaubnis sollte ihnen die britische Kolonialbehörde allerdings niemals erteilen.

Die Beute, die Bernatzik stattdessen von seinen ausgedehnten Reisen (1927 folgte die zweite) mitbrachte, waren Lichtbilder - 1500 Stück. Jagen und Fotografieren, das lassen seine ausführlichen Beschreibungen in Typen und Tiere im Sudan erkennen, waren für Bernatzik austauschbar, sagt Martin Pfitscher. Gemeinsam mit Monika Faber kuratierte er die Ausstellung ... die herrlichen schwarzen Menschen im Photoinstitut Bonartes. "Jagen wie Fotografieren erfordern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Beobachtungsgabe und Reaktionsvermögen", notieren sie.

Das Jagen und Sammeln von Bildertrophäen, das Klassifizieren von Ethnien nach Bildern (Gegenstand der visuellen Anthropologie) ist eine Perspektive, die heute schlucken macht. Selbst wenn Bernatzik keine sogenannten Mug-Shots fertigte (Fotos werden wie für die Verbrecherkartei streng normiert, frontal oder im Profil aufgenommen), so standen seine "Typen-Bilder" trotzdem in einer Tradition, die Menschen nicht als Individuen wahrnahm, sondern als Angehörige einer durch Herkunft, Beruf und Kleidung charakterisierten Gruppe.

Zu muskulös, zu negroid

Bernatziks Reisen von Khartoum bis nach Amadi dienten auch der Suche nach dem "schönen schwarzen Menschen". Von den Nuba war er etwa nicht so begeistert, erzählt Pfitscher. Sie waren ihm zu muskulös, zu "negroid". Bernatziks "Rassismus hatte keine Beschränkung".

Erst nach diesen Expeditionen wurde aus dem Reisejournalisten Hugo Bernatzik, der die Kosten über Publikationen in Magazinen und Lichtbildervorträge decken musste, der Ethnologe und Herausgeber zahlreicher Bücher und fotografischer Prachtbände - darunter Zwischen Weissem Nil und Belgisch-Kongo (1929), Gari Gari. Der Ruf der afrikanischen Wildnis (1930) oder Der Dunkle Erdteil, Afrika (1930).

In der Wissenschaft blieb Bernatzik, der 1930 sein Ethnologiestudium aufnahm, jedoch stets eine Randfigur. Sein Außenseitertum kommentierte er einmal polemisch so: Er könne seine wissenschaftliche Qualifikation nur beweisen, indem er zeige, auch langweilig schreiben zu können. Man hieß ihn "Sensationsethnologen" und "dubiosen Kunstphotographen": Bernatzik lieferte den Magazinen jene Dosis Abenteuer und Exotismus, die die Forscher nicht gewillt waren zu bedienen.

Bernatzik schuf "natürliche Szenen", nahsichtig und lebendig, die die Inszenierung vergessen machen sollten. Gleichzeitig half er nach; beschnitt, retuschierte und tauschte manchmal die überbelichteten Himmel der Wüste gegen europäische Wolkenbäusche aus. Das Ergebnis: eine bestechende künstlerische Ästhethik. Bernatziks Fotografien waren also sehr populär, wissenschaftlich daher aber wenig anerkannt.

In Der Fall Hugo A. Bernatzik wirft Doris Byer (seine Tochter) 1999 einen kritischen Blick auf die Ethnologen jener Zeit, die zwar die Rassenlehre der Nazis meist nicht legitimierten, aber sehr wohl für Forschungsgelder und Posten mit Ihnen zu netzwerken wussten. Auch Bernatzik hatte sich aus beruflichen Gründen nicht vom Nationalsozialismus distanziert.

Rein ästhetisch kann man Bernatziks Fotografien und die Filmresultate aus 10.000 Metern Film über "unseren lieben Neger in Verzückung" also nicht betrachten. Die kleine Schau bei Bonartes ist jedoch recht isoliert von Zeitgeschichte und bietet auch keine Vergleichsfotos bzw. einen heutigen Blick der Ethnologie an. Ohne den Kontext, der sich zum Teil im Katalog (Präsentation 16. 9.), zum Teil in der begleitenden, vielversprechenden Vortragsreihe finden wird, hängen die Bildbeispiele ein wenig in der Luft. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 8.8.2014)