Der Start für die tägliche Bewegungseinheit an ganztägig geführten Schulen war für Herbst 2014 vorgesehen. Das werde sich wohl nicht mehr ausgehen, gibt man im Unterrichtsministerium zu.

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Wien - Österreichs Kinder und Jugendliche bewegen sich zu wenig - auch in der Schule. Darüber sind sich im Grunde alle einig, es liegen zahlreiche Studien vor, es herrscht politischer Konsens über alle Parteigrenzen hinweg, es gibt eine fixe Ankündigung vom Kanzler und, wie der STANDARD nun erfahren hat, sogar längst ein konkret ausgearbeitetes Papier zur Umsetzung eines Zehn-Punkte-Programms inklusive fertiger Erlässe, einer Verordnung und einem Nationalratsantrag zur Änderung des Schulorganisationsgesetzes. Das Problem: Österreichs Kinder und Jugendliche bewegen sich noch immer nicht mehr als vor einigen Jahren - zumindest nicht in der Schule und auf politische Initiative.

Konkret sieht das ministerielle Papier, das dem STANDARD vorliegt, etwa eine tägliche Turnstunde in allen "ganztägig geführten Schulen" ab Herbst 2014 vor. Für die "verpflichtende Umsetzung" wurde bereits ein Erlass ausgearbeitet, der bloß noch amtlich gemacht werden müsste.

Was dem Projekt nun im Weg steht, kann dem STANDARD auf Nachfrage im Bildungsministerium nicht klar beantwortet werden. Man arbeite "mit Hochdruck" an dem Thema, sei aber eben "noch nicht im Finale". Herbst 2014 werde sich aber "wohl nicht mehr" ausgehen.

Kosten um 100 Millionen

Schon unter Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) seien konkrete Berechnungen angestellt worden, erfuhr DER STANDARD aus Insiderkreisen: Der stufenweise Ausbau auf mindestens vier "Bewegungsstunden" pro Woche in allen heimischen Volksschulen würde insgesamt zwischen 100 und 110 Millionen Euro kosten - die über vier Jahre verteilt jährlich eingesetzt würden. Dass das Projekt schlussendlich Budgeteinsparungen zum Opfer gefallen sei, will man im Bildungsministerium nicht bestätigen.

Ein weiterer Punkt des Papiers sieht Veränderungen in der Lehrerausbildung vor: Die Themen "Gesundheit, Ernährung und Bewegung" sollen demnach einen Schwerpunkt in der "PädagogInnenbildung neu" darstellen und Fort- und Weiterbildungen in diesem Bereich forciert werden. Dafür wurde ein "Kompetenzkatalog" erstellt, der Anforderungen an künftige Pädagogen enthält und somit als Leitfaden für neue Lehrpläne dienen soll.

"Bewegung als Bildungsziel"

Darüber hinaus wird in dem Zehn-Punkte-Programm etwa "Bewegung als Bildungsziel und Unterrichtsprinzip" definiert - auch hier gibt es bereits einen ausgearbeiteten Nationalratsantrag, der laut Papier "eingebracht werden" kann. Außerdem geplant: eine Überarbeitung der Lehrpläne und Stundentafeln, "Ausbau der Sportschwerpunktschulen" sowie eine Qualitätsverbesserung des Sportunterrichts.

"Das Einzige, an dem all diese Projekte scheitern, ist mangelnder politischer Wille", sagt Peter Kleinmann, Präsident des österreichischen Volleyballverbandes und Vorstandsmitglied des Olympischen Comités. Dem Ministerium lägen "zahlreiche wissenschaftliche Beweise" vor, die zeigen, dass Österreichs Kinder und Jugendliche durchschnittlich zu dick seien - und mehr Bewegung in der Schule ein Baustein zur Vermeidung von Adipositas und Diabetes sein könnte.

Forderung an Kanzler und Finanzminister

"Unsere Kinder bewegen sich nur noch halb so viel wie ihre Großeltern. Wenn sich nichts tut, werden sie immer schlechter in der Schule, weniger verdienen und nachweislich kürzer leben", sagt Kleinmann. "Kanzler und Finanzminister sind aufgefordert, endlich das nötige Geld zur Verfügung zu stellen." (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 8.8.2014)