Probenentnahme auf dem nur an der Oberfläche ausgehärteten Asphaltsee von Trinidad.

Foto: Rainer Meckenstock

Hier dringt Öl an die Oberfläche - das sieht nicht nach einer lebensfreundlichen Umgebung aus, aber es ist eine.

Foto: Rainer Meckenstock

München/Wien - Man findet es im Eis antarktischer Gletscher, in über 100 Grad heißem Tiefseewasser, das nur vom Druck flüssig gehalten wird, in der Salzlake des Toten Meers oder sogar in den Kühlwasserbehältern eines Kernreaktors: Das Leben hat sich einige unerwartete Plätze erobert. Und allen Widrigkeiten zum Trotz gedeiht und vermehrt es sich auch dort.

Von der Entdeckung eines nicht minder exotischen Lebensraums berichtet nun ein internationales Wissenschafterteam im Fachmagazin "Science". Forscher um Rainer Meckenstock vom Helmholtz-Zentrum München untersuchten Proben aus dem Pitch Lake, einem natürlichen Asphaltsee auf der Karibikinsel Trinidad, und stießen dabei auf eifrige Aktivität.

In der zähen Masse, die den See ausfüllt, befinden sich winzige Wassereinschlüsse mit einem Volumen von einem bis drei Mikrolitern. Das entspricht etwa dem Fünfzigstel eines durchschnittlichen Wassertropfens. Isotopenanalysen zeigten, dass es sich dabei um uraltes Wasser von tief unter der Erde handelt.

Und innerhalb dieser von Öl umschlossenen Tröpfchen tummeln sich zahlreiche Mikroorganismen - nicht bloß Angehörige einer einzigen Spezies, sondern ganze Gemeinschaften verschiedenster Bakterien und Archaeen, die von der Zersetzung des Öls leben. Die Forscher bezeichnen die Tröpfchen daher ohne jede Übertreibung als "Mikrohabitate" - jedes davon ist die kleinstmögliche Form eines eigenen, in sich geschlossenen Ökosystems.

Natürlicher Putztrupp

Vom Staunen über diesen Fund ist es nur ein kurzer Schritt bis zu Gedanken um eine mögliche Verwertung: Mikroben wie diese könnten zur Beseitigung einer Ölpest eingesetzt werden. Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University stellt indes eine ganz andere Querverbindung her: Wenn Leben in einem Asphaltsee möglich ist, könnte es auch in den Kohlenwasserstoffseen des Saturnmonds Titan gedeihen. Astrobiologen dürfen ihre Definition von "potenziell lebensfreundlich" erweitern. (jdo, DER STANDARD, 8.8.2014)