Wien/Kuala Lumpur - Die beispiellose Doppeltragödie von zwei Flugzeugkatastrophen in knapp fünf Monaten hat Malaysia Airlines an den Rand des Abgrunds gebracht. Mit einer Notverstaatlichung wird nun die Flucht nach vorn angetreten. Die Tage an der Börse sind gezählt, es wackeln tausende Jobs. Analysten sind überhaupt skeptisch.
Nach den zwei Katastrophen mit Maschinen der Malaysia Airlines soll ein staatlicher Fonds die Fluggesellschaft retten. Der Fonds "Khazanah Nasional", mit 70 Prozent der Anteile bereits Mehrheitsaktionär, übernimmt auch die restlichen Anteile, wie am Freitag mitgeteilt wurde. Um die Fluggesellschaft "wieder zum Leben zu erwecken", soll sie komplett umgebaut werden. Malaysia Airlines schreibt hohe Verluste.
Täglicher Verlust
Im März war eine Maschine mit 239 Menschen an Bord auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking von den Radarschirmen verschwunden; noch immer fehlt jede Spur. Die Fluggesellschaft war wegen ihres Umgangs mit der Katastrophe scharf kritisiert worden. Am 17. Juli wurde dann ein weiteres Passagierflugzeug der Airline auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ukraine abgeschossen; alle 298 Menschen an Bord wurden getötet. Die Buchungen bei der Fluggesellschaft gingen in der Folge drastisch zurück.
Die Airline macht täglich ein bis 2 Millionen Dollar (1,5 Millionen Euro) Verlust. Khazanah Nasional will nun "Geschäftsmodell, Finanzen, Personal sowie den gesetzlichen Rahmen" überprüfen. Die 68 Jahre alte Malaysia Airlines schrieb allerdings schon vor den beiden schweren Unglücken Verluste - sie häuften sich von 2011 bis 2013 auf umgerechnet 970 Mio. Euro. Im ersten Quartal 2014 kamen 104 Mio. Euro dazu.
Hohe Personalkosten
Malaysischen Medien zufolge braucht der Khazanah-Staatsfonds zudem 320 Millionen Euro, um die restlichen Anteile an der Fluggesellschaft zu kaufen. Der staatliche Fonds hat in den vergangenen zehn Jahren bereits 1,2 Milliarden Euro in die Airline gepumpt. Auf den Schlusskurs vom Donnerstag zahlt er einen Aufschlag von 12,5 Prozent. Insider erläuterten, ein Umbau der Fluggesellschaft sei abseits der Börse einfacher. Die Aktie ist seit heute Freitag vom Handel ausgesetzt.
Gründe für die seit Jahren anfallenden Verluste sind unter anderem hohe Personalkosten, die Einmischung des Staates ins Management und auch die aggressive Konkurrenz in Asien. Analysten zufolge muss der Staatsfonds die Führung austauschen, Stellen und auch einige Langstrecken-Ziele streichen, die nur aus Prestigegründen angeflogen werden. Die Airline "braucht ein neues Herz und ein neues Hirn", sagt Shukor Yusof vom Branchenberatungsunternehmen Endau Analytics. "So wie heute ist sie dem Untergang geweiht."
"Teil der malaysischen Geschichte"
"In ihrer jetzigen Form glaube ich fest, dass Malaysia Airlines nicht überleben kann", sagte auch Analyst Mohshin Aziz von Malayan Banking dem Sender Bloomberg Television. "Sie werden ihr Kapital verpulvern und Mitte nächsten Jahres kein Geld mehr haben, um weiterzufliegen."
Regierungschef Najib Razak nannte die Fluggesellschaft "Teil der malaysischen Geschichte". "Stückwerk" reiche nicht mehr, es dürfen "schmerzhafte Schritte" nötig sein, sagte er. Der Vorsitzende der Flugbegleitergewerkschaft, Ismail Nasaruddin, rechnet mit der Streichung von "einigen tausend" der derzeit 19.500 Stellen. Die Gesellschaft betreibt 150 Flugzeuge und befördert im Jahr 15 Mio. Passagiere. Restrukturierungen sind bisher gescheitert.
Der Ministerpräsident appellierte jetzt an Management, Mitarbeiter, Gläubiger, Passagiere und das ganze Volk, zusammenzustehen: "Dieser Prozess verlangt allen Beteiligten schmerzliche Schritte und Opfer ab." Die Fluggesellschaft ist für Malaysia, was etwa die deutsche Lufthansa für Deutschland ist: Nationalstolz. Anders als die Lufthansa gehört sie zwar nicht zu den größten Airlines der Welt, spielt aber auch in einer 1. Liga: die Consultingfirma Skytrax zählt sie zu den nur sieben Airlines weltweit mit Fünf-Sterne-Service. In die 1. Liga will Malaysia als Volkswirtschaft auch: das Land will bis 2020 in den Kreis der Industrieländer vorstoßen. Das Flaggschiff Malaysia Airlines zu verlieren, ist deshalb undenkbar.
Starke Billigkonkurrenz
Nach dem bis heute spurlosen Verschwinden von MH370 und dem Absturz von MH17 über der Ukraine sagte Maybank-Analyst Mohshin Aziz im Juli der BBC: "Man muss sich fragen, ob eine Marke so etwas überstehen kann." Das fragt sich der staatliche Krisenstab auch. Im Juli sickert durch, dass er einen neuen Namen in Erwägung zieht. Schwierig, wenn "Malaysia" im Namen als Nationalsymbol erhalten bleiben soll. Wie die nötige Radikalkur aussehen soll, wurde bisher nicht gesagt.
Womöglich müssen die prestigeträchtigen Langstrecken-Routen eingedampft werden. Die Billigkonkurrenz sitzt direkt vor der Haustür: Air Asia, in Kuala Lumpur zu Hause, macht vor, wie man auf kurzen Strecken richtig Geld machen kann. Sie jagt dem Konkurrenten immer mehr Passagiere ab. Im Februar bezichtigten sich beide gegenseitig eines Preiskriegs mit Dumpingpreisen. "Wir müssen auf den Markt reagieren, sonst werden wir unsere Tickets nicht los", verteidigte sich Malaysia Airlines-Chef Ahmad Jauhari im Februar.
Spekuliert wird auch über einen Investor von außen. Etihad, der arabische Großaktionär von Air Berlin, war immer wieder im Gespräch. Das Unternehmen hat ein geplantes Engagement im Juni aber dementiert. (APA, 8.8.2014)