Wien - Als Lukas Zeilbauer im Frühling erfuhr, dass die Petition für die Errichtung eines Hypo-Untersuchungsausschausses nur rund 140.000 Menschen unterschrieben hatten, konnte er es nicht glauben. 19 Milliarden Euro muss der Staat zahlen, um die Bank zu retten, und der Großteil der Österreicher unternimmt nichts dagegen?

Zeilbauer vermutete, dass sich die Leute einfach nicht vorstellen können, um wie viel Geld es sich tatsächlich handelt: "Auch bisher bediente Vergleichszahlen halfen dem normalen Bürger nicht weiter. Zwar wurde oft wurde erwähnt, dass man sich um das Geld vier Flugzeugträger kaufen könnte. Doch wer kann sich darunter schon was vorstellen?"

Milliardenstadt

Zeilbauer, Bauingenieurwesen-Student an der Technischen Universität Wien, nahm sich vor, den Bürgern auf die Sprünge zu helfen. Denn um 19 Milliarden Euro könne man ja eine ganze Stadt bauen. Sein Plan: eine Modellstadt zu errichten und diese auszustellen, damit sie möglichst viele zu Gesicht bekommen.

Suche nach Mitstreitern

Auf der Uni stellte er die Idee vor. Zunächst waren Dekanat und Rektorat wenig begeistert, schließlich handelt es sich um eine heikle, auch politische Angelegenheit. Zeilbauer bekam dann aber doch das "Go", musste nun noch Mitstreiter finden, die gemeinsam mit ihm das Projekt umsetzten wollten. Studenten der Architektur, Informatik und Raumplanung schlossen sich an. Zeilbauer konnte sie auch damit ködern, dass immerhin 2 ECTS zu holen waren.

Zunächst wurde gerechnet. Wie viele Bürger können in der Stadt - sie bekam den Namen "Hypotopia" - leben? Wie viele Schulen braucht es? Welche Öffis? Welche Stromversorgung? Dann wurde ein erstes Minimodell einer 102.574-Einwohner-Stadt, die sich fiktiv auf einer Fläche von 12,17 Quadratmetern erstreckt, erbaut. Die Gruppe aus mittlerweile rund 40 Studenten werkte rund um die Uhr.

Die Highlights der Milliardenstadt, die auch auf Nachhaltigkeit setzt:

  • eine Müllverbrennungsanlage
  • ein Fußballstadion
  • eine Brauerei
  • ein Bahnhof
  • eine Stadtbahn
  • autofreie Straßen
  • vertikale Farmen
  • ein Wasserkraftwerk
  • ein Windpark
  • Flussboote

Auf Polizeistationen verzichteten die Initiatoren, weil es keine Verbrecher in "Hypotopia" geben soll. Auch keine Bank wird errichtet. Das Modell im Maßstab 1:100 soll im September im Brunnenteich am Wiener Karlsplatz ausgestellt werden - dort, wo noch beim Popfest vor wenigen Tagen die quietschgelbe FM4-Ente geschwommen ist.

Interdisziplinäre Arbeit

Errichtet werden könnte die Milliardenstadt laut Zeilbauer im Übrigen überall in Österreich. Zur Berechnung wurden allerdings Daten aus Kärnten herangezogen, etwa die Grundstückspreise. Schließlich wurzelt der Hypo-Skandal auch im südlichen Bundesland.

Universitätsassistent Rüdiger Suppin betreute das Projekt und lobte vor allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Studierenden aus den verschiedenen Fachrichtungen. Manuel Oberafner, Student der Raumplanung, freut sich über die vielen Rückmeldungen, die es schon gegeben hat. Immer wieder würden sich Experten melden, die die Studentinnen und Studenten unterstützen wollen. Ihr Feedback fließt in die weitere Arbeit mit ein.

"Skandal endlich greifbar"

Ende September soll das recyclebare Modell endgültig fertig sein. Dann, so hoffen Zeilbauer und seine Mitstreiter, kommen viele Leute zum Karlsplatz, um "Hypotopia" zu besichtigen: "Sie sollen durch die Modellstadt gehen und die Häuser, die wir aus Beton gießen, anfassen. Der Hypo-Skandal soll endlich greifbar werden." (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 7.8.2014)