Vorgänge der letzten Zeit haben, so wie die Berichterstattung darüber, die Bevölkerung nicht unberührt zurücklassen. Nach Akademikerball, Identitärendemo, Josef S., der Alpen-Donau.info und den Folgen und dem Einsatzgebaren rund um die verruchte Pizzeria Anarchia ist der Durchschnittsösterreicher um einige Feindbilder reicher. Diese belagern ihn hartnäckig. Womöglich im Schlaf. Jedenfalls manchmal noch in den Morgenstunden. Man muss nicht viel dazu beitragen, zum Ziel der kleinbürgerlichen Befürchtungen zu werden: Gassigehen genügt.

Man geht eines Morgens bei Sonnenschein beschwingt und voll des Urvertrauens dem vielversprechend beginnenden Tag gegenüber auf den üblichen Kackplatz, der dem Hund am genehmsten ist. Als verantwortungsvolle Bürgerin ausgerüstet mit einem Strauß schwarzer, dankenswerterweise kostenloser Gackerlsackerln. Hund und Gscher sind glücklich, bis zu jenem Zeitpunkt, als man sich zum verrichteten Geschäft hinunterbeugt, das Sackerl weit aufgerissen, und aus der gegenüberliegenden Kirche einer heraustritt, der die Morgenmesse gerade hinter sich hat. Und der zum Lobe des Herrn sofort in lautes Gebrüll ausbricht. Was ich mir einbilden würde. Ob ich und mein Hundsviech aus dem Ausland seien, so, wie das Viech hier in Wien ungeniert herumkoten würde. Daraus lässt sich zweierlei schließen. Einerseits beeindruckende paranormale Fähigkeiten bezüglich meines tatsächlich slowakischstämmigen Hundes. Andererseits die vollkommene Unwissenheit im Bezug auf Hundeunfreundlichkeiten anderer Großstädte.

Wien ist da tatsächlich anders. In New York zum Beispiel darf man mit Hund nicht einmal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Mir schweben vor dem inneren Aug autochthone Deutsche Schäfer, die wie die Heiligen nur Rosendüfte absondern. Ich brülle zurück, dass betreffender Morgenmessenbesucher ein Rassist sei. Ich stehe da mit gefülltem, aber vor lauter Erstaunen noch nicht weggeworfenem Sack. In seinen Augen also gefährlich bewaffnet. Auf das Triggerwort "Rassist" springt er an wie der Pawlowsche Hund. "Ah, so eine sind Sie! Eine gewaltbereite Linksradikale! Eine Chaotin!" So schnell war die Verknüpfungskette gespannt, die von zweifelhaftem Verhalten über eine Gegenreaktion zu Verteufelung und jedenfalls einer Kriminalisierung führte. Die alte Vorurteilskette ist ein funkelnagelneues Glied reicher: Nicht nur ist schlecht, was, Gott bewahre, aus dem Ausland kommt. Schlecht ist auch, was laut widerspricht. Das könnte linksradikal sein und gefährlich. Angesichts einer solchen Entwicklung machen 1700 Beamte für 19 Punks durchaus Sinn. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 9./10.8.2014)