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Oscar Pistorius bleibt dabei: Er habe seine Freundin irrtümlich erschossen.

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Auch Staatsanwalt Gerrie Nel bliebt dabei: Pistorius habe vorsätzlich gemordet.

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Verteidiger Barry Roux wirft der Staatsanwaltschaft vor, nur belastende Indizien gelten zu lassen.

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Petoria - Nach fünf Monaten mit insgesamt 39 Prozesstagen ging am Freitag in Pretoria die Verhandlung im Mordfall Reeva Steenkamp zu Ende. Dass Oscar Pistorius seine Freundin getötet hat, ist unbestritten. Ob es Mord war oder, wie der Sportler behauptet, ein Versehen, blieb bis zum Schluss unklar. Richterin Thokozile Masipa kündigte an, das Urteil am 11. September zu verkünden.

Der Prozess des einstigen "Golden Boy" Südafrikas zog sich seit März regelrecht hin, und viele Beobachter hatten innerlich bereits abgeschaltet. Bei den tagelangen Befragungen der 36 Zeugen gingen Verteidiger Barry Roux und Staatsanwalt Gerrie Nel aber auch in schockierende und blutige Einzelheiten der Tat, die Oscar Pistorius jetzt im schlimmsten Fall lebenslang hinter Gitter bringen könnten.

Der 27-jährige Leichtathlet steht wegen vorsätzlichen Mordes an seiner Freundin in seinem Haus in Pretoria vor Gericht. Pistorius hatte das blonde Model in der Valentinsnacht am 14. Februar vergangenen Jahres mit vier Schüssen durch die Badezimmertür in seinem Haus getötet. Bei der Verhandlung blieb er dabei: Er habe Steenkamp irrtümlich für einen Einbrecher gehalten und sich bedroht gefühlt, da er bei Gefahr wegen seiner Behinderung nicht schnell fliehen könne.

Mit Waffen ausgerüstet

Goldmedaillengewinner Pistorius, dem kurz nach seiner Geburt beide Unterschenkel amputiert worden waren, hatte noch bei den Sommerspielen in London 2012 einen neuen paralympischen Laufrekord im 400-Meter-Rennen aufgestellt. Die Sportwelt verehrte den Prothesenläufer als "Blade Runner", als "schnellsten Mann ohne Beine".
Im Prozess hatten ihn jedoch Zeugen und eine Ex-Geliebte als Hitzkopf entlarvt, der leicht überreagiert, eifersüchtig ist und sich aus Panik vor Gewalt in einem Land mit einer extrem hohen Kriminalitätsrate mit Waffen verschiedenster Art ausgerüstet hatte.
Auch Staatsanwalt Gerrie Nel blieb in seinem Schlussplädoyer bei seiner Anklage: "Pistorius hat seine Version zusammengeschustert." Er hatte Pistorius bereits im Kreuzverhör als Lügner bezeichnet, der häufig Gedächtnislücken habe, wenn er Fragen zum Tathergang beantworten sollte. Er beschrieb den Sportstar als unverantwortlich, als jemand, der die Schuld immer auf andere schiebe.

Pistorius’ Verteidiger Barry Le Roux ließ am Freitag bei seinem Schlussplädoyer allerdings nichts davon gelten und beschuldigte den Staat, die belastenden Indizien für einen vorsätzlichen Mord im Prozess einseitig ausgewählt zu haben.

Spekulationen über Urteil

Mit Spannung wird nun das Urteil erwartet. William Booth, Anwalt und Vorsitzender der südafrikanischen Rechtsgesellschaft, meint: "Pistorius hat seine Aussage dreimal geändert, das sieht nicht so gut aus." Zunächst sei es Selbstverteidigung gewesen. Dann sei seine Waffe aus Versehen losgegangen, und später sagte Pistorius auch aus, er sei sich nicht ganz im Klaren gewesen, was im kritischen Moment passiert sei. Also schickte die Richterin den Angeklagten einen Monat zur psychiatrischen Untersuchung. Das Resultat: Er hat zwar eine Angststörung, ist aber mental fit. Und kann daher zur Rechenschaft gezogen werden.

Allerdings gebe es einen wichtigen Punkt zu bedenken, sagt Rechtsexperte Booth: "Oscar Pistorius muss nichts beweisen. Der Staatsanwalt muss einen wasserdichten Fall vorbringen, und das ist nicht ganz gelungen."

Rechtsexperte Booth rechnet nicht mit einem Urteil wegen vorsätzlichen Mordes. Das erwartbare Strafmaß seien eher bis zu 15 Jahre wegen Totschlags – oder weniger. Das würde aber auch nicht das Ende des weltweit Aufsehen erregenden Falles sein. Denn Pistorius wird im Fall einer Verurteilung beim Obersten Gericht Berufung einlegen. (Martina Schwikowski, Der Standard, 9.8.2014)