Wien - Mit einer Trauerfeier vor dem Parlament verabschiedet sich das offizielle Österreich am Samstag von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ). Sie erlag vor einer Woche 61-jährig einem vor elf Monaten diagnostizierten Krebsleiden.
Rund 2.000 Trauergäste, davon 600 Ehrengäste aus dem In- und Ausland, nahmen Abschied von Barbara Prammer. Zu dem Staatsakt bei strahlend-heißem Sommerwetter waren rund 600 Ehrengäste aus dem In- und Ausland gekommen, zahlreiche Bürger folgten den Reden und musikalischen Darbietungen auf der (dafür gesperrten) Ringstraße vor dem Parlament.
Die Redner und Rednerinnen würdigten Prammers Engagement für die Demokratie, für Minderheiten und Frauenrechte. "Wir alle können stolz auf sie sein", schloss Bundespräsident Heinz Fischer Abschiedsrede. "Wir danken dir, liebe, gute, tapfere Barbara."
"Ihr könnt sicher sein, dass eure Barbara als beeindruckende Persönlichkeit unseres Landes, als große Frau in unsere Geschichte eingehen wird", sagte Fischer zu Prammers Familie. Er erinnerte auch an den "bewundernswerten und mit Recht bewunderten Weg", wie Prammer mit ihrer Krebserkrankung umgegangen war, und dankte auch ihren Ärzten, dem Pflegepersonal und der Krebshilfe ebenso wie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dieser "starken, zarten, liebenswerten Frau" beiseitegestanden waren.
Lob zu Lebzeiten
Zugleich nahm er die unzähligen Respektsbekundungen für die verstorbene Nationalratspräsidentin auch zum Anlass, darüber nachzudenken, "wie sehr sich Barbara auch nur über einen kleinen Bruchteil dieses Lobes zu Lebzeiten gefreut hätte". Seine "Bitte" daher: "Entwickeln wir alle miteinander zeitgerecht möglichst viel Sensibilität, Verantwortungsbewusstsein und Fairness im Umgang mit anderen Menschen. Das gilt besonders für Politik und Medien, aber es gilt auch für alle Menschen."
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) würdigte Prammers Werthaltung, die auf Demokratie, Menschenrechten und solidarischem Miteinander gefußt habe. "Durch ihren Tod verliert die Republik eine führende Persönlichkeit, sie verliert eine Leitfigur der Demokratie. Wir alle verlieren einen außerordentlich liebevollen und wertvollen Menschen." Prammer sei für Toleranz und Offenheit gestanden. "Ein demokratisches Gemeinwesen braucht Menschen mit Grundsätzen, wie sie es war, mit einer Vorstellung davon, wie das Zusammenleben in einem Staat aussehen soll."
Prammer habe noch "so vieles vorgehabt", bedauerte der Kanzler. "Österreich verliert eine große Politikerin und Staatsfrau. Die Sozialdemokratie zudem eine ihrer wichtigsten und bedeutendsten Vertreterinnen. Liebe Barbara, du wirst uns sehr fehlen."
Frauenministerin gedenkt "Freundin und Mentorin"
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die 2009 von Prammer den Vorsitz der SPÖ-Frauen übernommen hatte, blickte auf "gemeinsame Jahre, geprägt von Vertrauen und Unterstützung" durch ihre "Freundin und Mentorin", zurück. Prammer sei stets für eine "Zukunft, in der Frauen gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können", eingetreten. Dafür habe sie auch parteiintern "den einen oder anderen Strauß auszufechten gehabt", etwa in der Frage der Frauenquote. "Beharrlich und konsequent hast du, Barbara, diesen Weg und viele andere Wege für uns aufbereitet." Prammer habe sich für den Gewaltschutz eingesetzt - "Du hast so vielen Frauen geholfen" - sie sei überzeugte Antifaschistin gewesen, habe sich stets für Minderheiten stark gemacht und sei "eine wichtige Verbündete für gleichgeschlechtlich Liebende" gewesen. "Du warst ein liebenswerter Mensch, und du bist eine große Tochter Österreichs und Europas. Ich bin stolz, dich gekannt zu haben."
Die Publizistin Barbara Coudenhove-Kalergi schließlich würdigte Prammer "mit dem Blick von außen": "Sie war eine Politikerin, die ihr Amt nicht nur mit Anstand ausgefüllt hat, sondern auch mit einer gewissen Anmut." Prammer habe vorgelebt, "dass man Politiker, Politikerin sein kann, ohne sich zu verbiegen". Sie habe auch ein Leben auf Basis einer "festen Überzeugung" geführt und sei daher "offen für andere Ideen und andere Traditionen" gewesen. Zudem führte auch Coudenhove-Kalergi die "Art, wie sie mit ihrer Krankheit umgegangen ist", ins Treffen. "Sie hat uns allen nicht nur gezeigt, wie man mit Anstand lebt, sondern auch, wie man mit Anstand stirbt. Ich glaube, sie wäre eine gute Bundespräsidentin geworden."
"Ich verneige mich heute respektvoll vor einer großen Demokratin - einer großen Österreicherin - und bedanke mich namens des Nationalrates und seiner Abgeordneten bei unserer Präsidentin für ihre umsichtige, überparteiliche und vor allem menschliche Art der Führung des Hauses", würdigte der zweite Nationalratspräsident Karl-Heinz Kopf (ÖVP) Prammers Tätigkeit an ihrer letzen Wirkungsstätte. Und er verneigte sich vor dem "Menschen Barbara Prammer. Vor einer Frau, die mit großer Demut ihre schwere Erkrankung angenommen, diese Krankheit gleichzeitig mit enormer Willensstärke bekämpft und trotzdem ihr Amt mit unglaublicher Disziplin bis vor wenigen Wochen nahezu uneingeschränkt ausgeübt hat."
Prammer sei eine "engagierte Kämpferin für den unverzichtbaren Stellenwert und die Würde des Parlaments" und die stetige Weiterentwicklung der Demokratie gewesen, erinnerte Kopf an ihre "Beharrlichkeit", der u.a. letztlich die U-Ausschuss-Reform und die Einigung auf die Parlamentssanierung zu verdanken sei, an die von ihr eingerichtete Demokratiewerkstatt und das Jugendparlament. "Überglücklich" habe sie während ihres letzten Krankenhausaufenthalts gemacht, dass das Gesetz zur Sanierung einstimmig vom Nationalrat beschlossen wurde.
Bundesratspräsidentin Ana Blatnik - eine Kärntner Slowenin - hob Prammers Engagement für Volksgruppen und Minderheiten hervor, den von ihr eingeführten Volksgruppentag im Hohen Haus oder das 2011 vor dem Parlament errichtete Barackendorf zum Hinweis auf die Situation der Roma und Sinti. Prammer habe "den Bausteinen, auf denen unsere Gesellschaft fußt, ein Gesicht gegeben", mit ihrem konsequenten Bekenntnis zu Toleranz, Menschenrechten, Chancengleichheit, Dialog und Kompromiss und Auftreten gegen Diskriminierung, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus.
Auch Prammers internationale Bemühungen um die Stärkung der Menschenrechte und Demokratie würdigte Blatnik. Zur Trauerfeier waren zahlreiche internationale Gäste erschienen - darunter Parlamentspräsidenten aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Slowenien und Kroatien und in Vertretung des Präsidenten des Europaparlaments Vizepräsidentin Ulrike Lunacek. Sie legten zu den Klängen der von Harri Stojka interpretierten internationalen Roma-Hymne eine Rose am Sarg ab.
Einäscherung am Zentralfriedhof
Zu Bundeshymne und Zapfenstreich wird Prammers Sarg schließlich im Glaswagen zum Zentralfriedhof gebracht, wo die Einäscherung erfolgt. Die Beisetzung selbst wird im engsten Familienkreis stattfinden.
Österreicher und Österreicherinnen nahmen Abschied
In den vergangenen Tagen hatten bereits mehr als 5.000 Menschen im Parlament persönlich von Nationalratspräsidentin Prammer Abschied genommen. Der Sarg der am vergangenen Samstag verstorbenen SPÖ-Politikern war am Donnerstag und Freitag in der Säulenhalle aufgebahrt. Unter den Trauerbesuchern waren zahlreiche Vertreter des politischen und religiösen Lebens, darunter ihr Amtsvorgänger Andreas Khol (ÖVP).
Im elektronischen Kondolenzbuch waren - laut Parlamentskorrespondenz - bis Freitag am späten Nachmittag 5.400 Einträge verzeichnet, rund 2.000 Trauernde haben überdies im Besucherzentrum des Hohen Hauses schriftlich kondoliert. (APA, 09.08.2014)