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Nach mehr als sechs Jahren hat die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue gegen Martin Graf eingestellt.

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Auch gegen die früheren Seibersdorf-Holding-Chefs Helmut Krünes und Erich Gornik (rechts) wurde das Verfahren eingestellt.

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Wien - Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Ermittlungsverfahren in Bezug auf das Forschungszentrum Seibersdorf wegen Verdachts der Untreue, Förderungsmissbrauchs und grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen gegen insgesamt sechs ehemalige Führungskräfte des in Austrian Institute of Technology (AIT) umbenannten Forschungszentrums eingestellt.

"Weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung von Martin Graf, Helmut Krünes, Erich Gornik und drei weiteren ehemaligen Managern bestand", teilte die Staatsanwaltschaft Wien am 29. Juli 2014 mit.

Wie der STANDARD am 15. Juli 2013 auf Seite 9 ("Seibersdorf: Kripo ließ Rechnungshof den Vortritt") berichtete, war den ehemaligen Geschäftsführern der unter Austrian Research Centers (ARC) firmierenden außeruniversitären Forschungsgruppe vorgeworfen worden, die ARC-Gruppe in gravierende Finanzprobleme und wirtschaftliche Ungereimtheiten manövriert zu haben. Es ging um den Vorwurf der Untreue und Bilanzfälschung gegen insgesamt neun Personen, die bis 2008 Führungsfunktionen innehatten. Auch wären Gehälter und Funktionen aufgebläht worden.

Abschied mit Prämie

Mit seinem Wechsel ins Parlament ließ Graf seine Seibersdorfer Vergangenheit nicht hinter sich. Wie der STANDARD am 12. Februar 2009 auf Seite 7 ("Staatsanwalt verlangt Martin Grafs Auslieferung") berichtete, holte sie ihn ein. Die Anklagebehörde forderte Grafs Auslieferung, was die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten zur Folge hatte. Graf soll sich als Geschäftsführer einer Tochter der ARC "Gehälter ausgezahlt haben, die ihm nicht zugestanden sind", so damals die Staatsanwaltschaft. Konkret hat sich der spätere Dritte Nationalratspräsident Martin Graf, von 1. Mai 2003 bis 1. Oktober 2006 Geschäftsführer der ARC-Dienstleistungstochter ARC Business Services, bei seinem Ausscheiden aus der ARC-Gruppe am 29. Oktober 2006 zusätzlich zu einer Abfertigung in Höhe von 220.000 Euro eine Einmalprämie in Höhe von 50.000 Euro auszahlen lassen.

Diese Prämie "für die Ausübung zusätzlicher Funktionen im ARC-Konzern" sei ihm nicht zugestanden, er habe sie "ungerechtfertigt" erhalten, weil sie durch eine Klausel in Grafs Geschäftsführervertrag sogar ausgeschlossen gewesen sei, argwöhnte der Rechnungshof (RH) in einem im Juni 2008 bekannt gewordenen Rohbericht. Graf hatte sich laut RH bereits "2003 zu unentgeltlichen Tätigkeiten für die ARC-Holding verpflichtet". Als Jurist hätte Graf die Prämie auch nicht gutgläubig nehmen dürfen, argumentierten von der ARC-Gruppe mit der Untersuchung beauftragte Juristen.

Hintergrund dieser Rochade: Graf hatte - nach einer Umstrukturierung, bei der alle ARC-Töchter mit der Holding fusioniert wurden - seine Geschäftsführerfunktion verloren und fungierte fortan als Prokurist mit Angestelltendienstvertrag, der dienstgeberseitig allerdings nur aus wichtigen Gründen kündbar war.

Auslieferung aus Nationalrat

Am 5. Oktober 2006 nahm Graf allerdings sein Nationalratsmandat an und quittierte am 29. Oktober seinen Dienst als ARC-Prokurist - nachdem ihm die ARC-Holding-Geschäftsführung seine Abgeordnetentätigkeit als Nebenbeschäftigung verwehrt hatte. Im Zuge dieser vorzeitigen Vertragsauflösung erhielt Graf jene 220.000 Euro Abfindung sowie besagte 50.000 Euro Einmalprämie für die "Ausübung zusätzlicher Funktionen im ARC-Konzern".

Ungerechtfertigt sei die Prämie auch deshalb gewesen, weil bei Umwandlung des Dienstvertrags im Juli 2006 zumindest einer der beiden damaligen ARC-Holding-Geschäftsführer bereits gewusst habe, dass Graf von der FPÖ für ein Nationalratsmandat kandidiere, so der RH. Nun wurden die Ermittlungen nach Prüfung der erhobenen Vorwürfe eingestellt.

Finanzprokuratur fragt nach

Warum genau das Verfahren kein Ergebnis zeitigte, erfragt der Anwalt der Seibersdorfer, die Finanzprokuratur bei der Staatsanwaltschaft. Erscheinen ihr die Begründungen nicht nachvollziehbar, kann sie binnen 14 Tagen einen Fortführungsantrag stellen und dazu gegebenenfalls neue Beweismittel einbringen. (ung, DER STANDARD, 11.8.2014)