Über 80 reglementierte Gewerbe gibt es derzeit in Österreich.

Illustration: Friesenbichler/Karner

Wien - Nicht nur mit dem Internet ziehen neue Geschäftsfelder in unseren Alltag. Statt des Taxis kommt zum Beispiel der Chauffeur per Smartphone-App und hält mit einem Begrüßungsgetränk in der Hand die Autotür auf.

Doch schnell kommen Anbieter solcher Services auch mit dem Gewerberecht über Kreuz. Innovative Ideen treffen auf Regelungen, die mit neuen Entwicklungen nicht wirklich Schritt halten können. Der Ruf nach einem entrümpelten Gewerberecht wird daher immer wieder laut. Und dabei geht es nicht nur um Start-ups.

Knapp über 80 reglementierte Gewerbe gibt es derzeit in Österreich. Gewerbe, die mit Zugangsbeschränkungen belegt sind. Die Liste ist historisch gewachsen. Ausgehend von dem Jahr 1859, als die Gewerbeordnung vor allem der Vereinheitlichung der unterschiedlichen Regelungen diente. Im Laufe der Zeit kam es zu Anpassungen und zur Reglementierung von immer mehr Gewerben.

Das sorgt für so manche Kuriosität: So darf zum Beispiel zwar jeder ein Nagelstudio eröffnen und Nägel lackieren. Allerdings nur an den Fingern. Denn die Fußpflege ist ein reglementiertes Gewerbe – wahrscheinlich wegen des medizinischen Aspekts. Jedenfalls sind Fußnägel tabu.

Entrümpeln

Mittlerweile stoßen sich immer mehr an den verstaubten Regelungen. Denn eine wirklich trennscharfe Begründung, welches Gewerbe reglementiert ist und welches nicht, gibt es nicht, sagt Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Grundsätzlich gilt: Reglementiert wird da, wo es besondere Sicherheits- oder Qualitätsanforderungen gibt. Das mag beim Fleischer oder Gas- und Sanitärtechniker durchaus klar sein, beim Floristen hingegen ist die Argumentation nicht ganz so schlüssig. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt Österreich seit Jahren restriktive Vorschriften für reglementierte Gewerbe und freie Berufe weiter zu lockern, um mehr Wettbewerb zu ermöglichen.

Bei der Wirtschaftskammer (WKO) hält man das System der Konzessionierung für zeitgemäß. Berufe würden ohnehin laufend auf die Liste kommen oder von dieser genommen. Außerdem gebe es die Möglichkeit der individuellen Qualifikation, wenn zum Beispiel ein Meisterbrief fehlt. Auch im Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP bekennt man sich generell zu einer „Anpassung des Gewerberechts an veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen“. Dabei gehe es aber keineswegs um Deregulierung, sondern um „die Entbürokratisierung und Modernisierung“ der Regelungen, präzisiert man seitens des Wirtschaftsministeriums.

Lehre nicht gefährden

Mit einer parlamentarischen Anfrage meldete sich unlängst die Grüne Ruperta Lichtenecker zu Wort. Wie weit diese Anpassungsbemühungen gediehen seien, will sie wissen. Wie aus dem Wirtschaftsministerium zu hören ist, sei der Reformprozess im Laufen.

Große wirtschaftliche Impulse seien durch eine Deregulierung der Gewerbe nicht zu erwarten, meint Böheim, aber es hätte eine Signalwirkung. Vorsicht sei geboten, dass eine Deregulierung der Gewerbe nicht die Ausbildung gefährde, geben sowohl Böheim als auch die WKO zu bedenken. Je weniger ausgebildete Floristen es beispielsweise gebe, desto weniger Lehrlinge würden ausgebildet. Lichtenecker lässt dieses Argument nicht zur Gänze gelten. Eine Lehre werde so oder so stattfinden, die Ausbildung müsse eben durch entsprechende Rahmenbedingungen gesichert sein.

Qualität bleibt

Lichtenecker stellt die Reglementierung von Gewerben grundsätzlich stark infrage. „Wenn ein Florist meinen Strauß nicht schön bindet, dann werde ich nicht mehr hingehen.“ Auch Böheim sieht das ähnlich.

Wo Schutz und Qualität für Leib und Leben der Kunden notwendig sei, sei die Reglementierung gar keine Frage. Alles andere sollten auch ein funktionierender Markt und mündige Konsumenten erledigen können. (roda, DER STANDARD, 11.8.2014)