Kirche und Erster Weltkrieg: eine überraschende Vielfalt von Zugängen bei "36566 Tage".



Foto: Salzburger Festspiele/B. Müller

Salzburg - Der Erste Weltkrieg hat auch das Young Directors Project der Salzburger Festspiele thematisch fest im Griff: Auf das deprimierende Heimkehrerdrama Hinkemann von Ernst Toller folgte nun ein überbordender Beitrag des Mozarteums, der am Freitag, exakt 36566 Tage nach dem Attentat in Sarajevo, Premiere feierte.

Etwa 30 Studierende - angehende Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildner, Komponisten - hatten eine monatelange "Expedition" in die Vergangenheit unternommen, beschäftigten sich mit den Auswirkungen des "Großen Krieges" auf Salzburg; ihre Recherche-Ergebnisse setzten sie unter der Leitung von Hans-Werner Kroesinger, ein Spezialist für Dokumentartheater, in Szenen und Installationen um. Einen besseren Präsentationsort als die eigene Universität hätten sie kaum finden können, ist das Mozarteum doch in der ehemaligen Kaiser-Franz-Josef-Kaserne untergebracht.

Insgesamt wurden 16 Beiträge realisiert - und damit zu viele. Kroesinger dürfte es nicht übers Herz gebracht haben, weniger Geglücktes zu streichen. Daher wurde das "rekrutierte" Publikum aufgeteilt und nach strengem Plan von "Zugsführern" durch den Abend manövriert. Jede Gruppe sah - ähnlich dem Alma-Konzept - eine andere Auswahl: Zum Schluss, nach knapp vier Stunden, saß man bei einem Glas Wein zum Austausch zusammen.

Ein solcher Abend entzieht sich der Kritik. Denn was darf man von Studierenden im ersten oder zweiten Jahr erwarten? Zudem wurde erneut das grundsätzliche Problem des Young Directors Project, eines Wettbewerbs, augenscheinlich: Erste Gehversuche lassen sich nicht mit einer professionellen Produktion wie Hinkemann des Düsseldorfer Schauspielhauses vergleichen.

Die Studierenden nahmen die Herausforderung aber hochmotiviert an und überraschten mit einer Vielfalt an Zugängen: Sie hinterfragen die Rolle der Kirche und analysieren die Verbindungen zwischen Fußball und Krieg (der SAK wurde 1914 gegründet). Sie beschäftigen sich mit der Biografie Karl Aichers, dem in russische Kriegsgefangenschaft gekommenen Gründer des Marionettentheaters. Sie rekonstruieren den Sternenhimmel vom 28. Juli 1914, als Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte. Als Kontrapunkt erinnern sie an den Komponisten Franz Ledwinka, der ab 1914 Mitglied des Mozarteum-Direktoriums war und vom Krieg partout nichts wissen wollte.

Ziemlich geglückt ist die Installation eines Schützengrabens von Eric Droin: Gleißendes Licht sorgt dafür, dass man nur für Sekundenbruchteile den Kopf aus der Deckung streckt. Als Höhepunkt der "gelben Tour" stellte sich der Einakter Heimkehr und Abschied von und mit Peter Blum, Rebecca Seidel und Ludwig Hohl heraus. In nur 20 Minuten, in kargen Dialogen mit hohem Symbolgehalt, sezieren sie das Zerbrechen einer Bauernfamilie. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 11.8.2014)