Wien - Gegen ein sofortiges Rauchverbot in der Gastronomie spricht sich ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger aus. "International geht der Trend in Richtung Rauchverbot in der Gastronomie. Ich glaube, in den nächsten fünf Jahren wird sicher ein solches Rauchverbot kommen - aber nicht morgen", sagte er zu der neu entflammten Debatte. Ihm, Rasinger, gingen aber auch andere Präventionsmaßnahmen ab.
An sich sei in der Sachpolitik die Angelegenheit längst geklärt, meinte der Parlamentarier, von Beruf in der Praxis niedergelassener Allgemeinmediziner. "Prinzipiell sind sich die Gesundheitspolitiker einig, dass es ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie geben sollte. Das wurde aber nicht in das Regierungsprogramm aufgenommen."
Verständnis für Wirte
Als eines der Gegenargumente sei eine mögliche Schadenersatzpflicht der Regierung bis zum Ende der Abschreibung der in den Lokalen für die Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereichen getätigten Investitionen geäußert worden. Rasinger: "Da schweben Zahlen von 150 Millionen Euro im Raum. Wo plötzlich 150 Millionen Euro herkommen sollen, ist mir schleierhaft. Derzeit kämpfen wir um die Finanzierung der Lehrpraxis (für angehende Ärzte; Anm.), wo es bisher weniger als eine Million Euro gibt."
Für den ÖVP-Gesundheitssprecher ist verständlich, "dass sich die Wirte als Sündenböcke hingestellt fühlen". Die Frage einer Anti-Rauch-Gesundheitspolitik sei jedenfalls breiter anzugehen. "Österreich liegt mit Grönland bei der Raucherquote unter den Jugendlichen auf dem letzten Platz." Die britische Medizin-Fachzeitschrift "Lancet" hätte die Tabakpolitik der einzelnen Länder mit einem Fragebogen von 16 Kriterien beurteilt - und da tauche Österreich auch auf dem letzten Platz auf. Es gehe um Informations- und Präventionskampagnen, um die Tabak-Preispolitik, das Aussehen der Zigarettenpackungen, die Vertriebskanäle etc. "Außerdem sollte man den Jugendschutz ernst nehmen."
Rasinger vermisst Präventionsmaßnahmen
Gesamtpolitisch, so Rasinger, könne der Gesetzgeber nicht "alle drei oder fünf Jahre" bei gleichbleibenden Argumenten seine Meinung und somit die Gesetze zu einem Thema ändern. Auch das müsse man verstehen. Das bestehende Gesetz aus dem Jahr 2009 sei damals das Beste gewesen, was durchsetzbar gewesen sei.
Der ÖVP-Gesundheitssprecher: "Es ist nicht meine Aufgabe, die Wirte zu verteidigen. Aber in den letzten zehn Jahren hat es keine einzige Präventionskampagne gegeben. Da hat Gesundheitsminister (Alois; Anm.) Stöger schon auch eine Bringschuld." Kein Zweifel bestehe daran, dass in Österreich jedes Jahr rund 14.000 Menschen am Tabakkonsum sterben, 30 Prozent der Karzinome durch das Rauchen bedingt seien und ein breiter Rauchstopp auch die Kosten für die Gesundheit reduzieren würde.
Verfassungsjurist: Staat braucht Berechtigung
Wenig Aussicht auf Erfolg sieht auch der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Die derzeit geltenden Regelungen seien nur schwer "umzudrehen".
"Je länger eine Sache zurückliegt, die entsprechenden Regelungen schon Geschichte und die Investitionen steuerlich abgeschrieben sind, desto eher kann man davon ausgehen, dass es leichter ist, etwas zu ändern", sagte Funk. Auch "wohlerworbene Ansprüche" auf eine Beibehaltung von Regeln, die eine gewisse Rechtsgrundlage schaffen, gebe es nicht.
Was nun eher danach klingt, als stünde einem Rauchverbot doch nicht so viel im Wege, wurde von dem Experte stark relativiert: Jedes Gesetz unterliege u. a. dem Erfordernis der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit. Und es brauche ein sehr starkes öffentliches Interesse, damit in persönliche Rechte eingegriffen werden kann. Wenn die betroffenen Wirte ein "Sonderopfer" für die Allgemeinheit bringen müssten, würde zudem die Frage der Entschädigungen im Mittelpunkt stehen, betonte der Verfassungsrechtler. Im Detail müsse man sich ansehen, in welchem Umfang diese zu erfolgen hätten - und ob sich für den Einzelnen unter Umständen eine ruinöse Situation ergeben würde.
Vor allem müsse man sich laut Funk fragen, woher der Staat die Berechtigung nimmt, Rauchen in Lokalen zu verbieten. Dies wäre schließlich ein Eingriff in die Freiheitssphäre jedes Einzelnen. (APA, 11.8.2014)