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Josef Pühringer: "Spindelegger ist ein äußerst gescheiter Mann."

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STANDARD: Sie haben im Zuge der letzten Regierungsverhandlungen gewarnt, dass es ein "Weiter so" in der Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP nicht geben dürfe. Hat sich jetzt etwas geändert oder wurden Ihre mahnenden Worte einfach überhört?

Pühringer: Zumindest der Start der Regierung war voller Hoffnung. Derzeit erleben wir aber den großen Einbruch. Es steht daher außer Frage, dass es der Regierung auf schnellstem Weg gelingen muss, aus ihrem aktuellen Tief herauszufinden.

STANDARD: Wie könnte der Weg aus der Regierungskrise aussehen?

Pühringer: SPÖ und ÖVP müssen endlich weniger den Streit in den Vordergrund stellen. Das ständige Hickhack interessiert doch die Menschen nicht. Es braucht die sachliche Arbeit an erster Stelle. Die Menschen wollen mit ihren Problemen ernst genommen werden und erwarten von der Politik Lösungsvorschläge. Wer nur schaut, wie er den Partner anpatzen kann, macht sich beim Wähler unbeliebt. Da bringt es nichts, wenn dann die Arbeit hinter verschlossenen Türen gut ist. Das Bild nach außen muss sich gravierend ändern.

STANDARD: In den jüngsten Umfragen fällt die ÖVP unter die 20-Prozent-Hürde. Können Sie da noch ruhig schlafen?

Pühringer: Sie müssen sich keine Sorgen machen, ich schlafe ausgezeichnet. Aber es gibt da nichts zu beschönigen: Unsere Fraktion ist natürlich Teil dieser Koalitionskrise. Es muss daher schleunigst ein Turnaround gelingen. Dieses Grundeln bei 20 Prozent ist unerträglich. Das kann nicht unsere Zukunft sein. Und so ein Umfragetief können wir auch in den Ländern nicht brauchen - der Bund zieht uns da mit hinunter.

STANDARD: Trauen Sie Ihrem Parteiobmann Michael Spindelegger diesen Turnaround zu?

Pühringer: Dieser Turnaround ist unausweichlich - für jeden, der vorne steht, absolut alternativlos. Das weiß auch Michael Spindelegger. Die ÖVP muss sich am Riemen reißen. Und die Regierung muss glaubhaft vermitteln, dass die Probleme der Menschen auch die Probleme der Regierung sind. Aber natürlich war es unglücklich, dass gleich zum Start der Regierung die Causa Hypo Alpe Adria die sonstige Regierungsarbeit total in den Schatten gestellt hat.

STANDARD: Was aber nicht der Grund sein dürfte, dass Parteiobmann Spindelegger konstant schlechte Umfragedaten einfährt, oder?

Pühringer: Bitte jetzt nicht gleich wieder eine Obmanndebatte vom Zaun brechen. Bei jedem Problem zu sagen 'Rübe ab' ist nicht meine Art von Politik. Spindelegger ist ein äußerst gescheiter Mann. Und schon bei der Obmannwahl haben wir gewusst, dass er kein Moderator und Entertainer ist. Was aber keine Entschuldigung dafür ist, dass die ÖVP ihre Performance radikal verändern muss.

STANDARD: Sollte man an der Parteispitze jetzt nicht langsam die Notbremse ziehen und auf schwarze "Shootingstars" wie Außenminister Sebastian Kurz setzen?

Pühringer: Sebastian Kurz kann mit seinem Alter in der ÖVP noch alles werden. Man darf ihn aber nicht vorzeitig verheizen. Darum hat man ihn auch aus dem Tagesgeschäft genommen, und er meistert jetzt seine Aufgabe als Außenminister hervorragend. Sebastian Kurz soll nur ja nicht in jungen Jahren zum Jobhopper werden.

STANDARD: Für lediglich sechs Prozent der Österreicher ist aktuell eine große Koalition die Wunschvariante. Langsam müsste man da als Partei doch an Alternativen denken, oder?

Pühringer: Ich habe keine Hoffnung, dass mit einer Dreierkoalition oder einer Zusammenarbeit mit den kleineren Parteien eine wesentliche Veränderung eintritt. Es kommt nicht auf die Regierungsform an. Entscheidend ist, dass die Regierung vermitteln kann, dass sie alles gibt, um Probleme zu lösen.

STANDARD: Ist Schwarz-Grün keine Bundesvariante für Sie?

Pühringer: Natürlich. Aber diese Variante ist eben jenseits jeder rechnerischen Realität. Und wer glaubt, dass Dreier- oder Viererkoalitionen einfacher sind, der irrt sich gewaltig. Jeder will nämlich einer Koalition seinen Stempel aufdrücken.

STANDARD: Hält die Koalition?

Pühringer: Selbstverständlich. Wenn man weiß, dass man vielleicht nach einer Wahl noch kleiner wird, kann nicht die politische Strategie das Ende der Regierungszusammenarbeit sein.

STANDARD: Jüngst ist eine Debatte um die Schließung der rund 300 Sonderschulen in Österreich entbrannt. Für Sie vorstellbar?

Pühringer: Ich bin für Integration, glaube aber schon, dass es für manche Kinder mit Beeinträchtigung auch in Zukunft Sonderschulen brauchen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob alle Kinder mit Beeinträchtigung auch tatsächlich integrierbar sind. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 12.8.2014)