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Kurdische Kämpfer im Irak.

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Der Kurde Fuad Massum, am 24. Juli im Parlament in Bagdad zum irakischen Staatspräsidenten gewählt, ist die Schlüsselfigur im jetzigen Verfassungsstreit. Er ist ein gutes Symbol für den Pragmatismus der irakischen Kurden: Als Staatsoberhaupt agiert Massum im Interesse des Zusammenhalts des irakischen Staates, wenn er – so zumindest der Stand am Montag – verweigert, Nuri al-Maliki mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Denn die irakischen Kurden würden ihren Weg in die Unabhängigkeit beschleunigen, wenn in Bagdad kein Premier gefunden wird, der die Beziehungen zwischen Bagdad und Erbil, dem Sitz der kurdischen Regionalregierung, auf eine neue Basis stellen kann.

Ohne Zweifel haben die jüngsten Ereignisse insofern einen Einfluss, als US-Präsident Barack Obama in seinen Statements völlig klargemacht hat, dass die US-Militärhilfe einem Kurdistan im irakischen Kontext gilt, nicht einem separatistischen. Für die USA ist die Frage auch deshalb so heikel, weil die Kurden im Laufe der Ereignisse in Gebiete vorrückten, um die sie mit Bagdad streiten. Die USA wollen nicht in den Verdacht kommen, dass sie den Kurden nur helfen wollen, ihre territoriale Kontrolle über Gebiete, die diese für ihren Staat beanspruchen, zu zementieren.

Die Kurden müssen einmal mehr sehen, dass die Unterstützung für einen kurdischen Staat beschränkt ist. 2003, nach dem Sturz Saddam Husseins, entschieden sie sich nicht zuletzt deshalb für den Verbleib im irakischen Staatsverband – begannen aber sehr sorgfältig, ihr Haus für eine mögliche Unabhängigkeit in Ordnung zu bringen. Alles, die Institutionen, auch die eigene Verfassung, ist mehr oder weniger fertig.

Dafür galt es auch, die innerkurdische Spaltung zu überwinden. Kurdistan wurde de facto 1991 autonom, als nach einem Aufstand nach der Niederlage Saddams im Golfkrieg die internationale Gemeinschaft intervenierte, um die Kurden vor den Angriffen Bagdads zu schützen und ein dramatisches Flüchtlingsproblem zu lindern. Ein "safe haven" und eine Flugverbotszone (nicht deckungsgleich) wurden eingerichtet, den Kurden wurde die Möglichkeit zur Selbstverwaltung gegeben.

Die kurdische Spaltung

Die Spaltung zwischen der KDP (Kurdische Demokratische Partei) von Massud Barzani und der PUK (Patriotische Union Kurdistans) von Jalal Talabani erwies sich jedoch als zu stark: Nach Parlamentswahlen folgte Mitte der 1990er eine bürgerkriegsähnliche Episode, Talabani griff auf die Hilfe aus Teheran zurück, was Barzani bewog, vom verhassten Saddam Unterstützung anzufordern.

Vor 2003 vermittelten die USA die Versöhnung, nach dem Sturz Saddams arbeiteten die Kurden systematisch daran, die Zweigeteiltheit Kurdistans – die sich in zwei Parallelverwaltungen in Erbil und Sulaymaniya niederschlug – zu überwinden. Während Massud Barzani Präsident der kurdischen Regionalregierung wurde, wurde Jalal Talabani Präsident in Bagdad. Fuad Massum ist Talabanis Vertrauter.

Die Zweisamkeit wird in den vergangenen Jahren jedoch durch die Partei "Gorran" gestört, die gegen die eingefahrenen, oft stammesbestimmten Muster und, wie sie sagt, Korruption und Nepotismus anrennt. Außerdem ist die PUK durch den Ausfall Talabanis, der im Dezember 2012 einen Schlaganfall erlitt, geschwächt. Gorran ist inzwischen zweitstärkste Partei – aber es ist nicht zu erwarten, dass sie in Bagdad nicht am selben Strang ziehen würde wie die anderen. Und die Kurden haben auch traditionell einige sunnitische islamistische Parteien. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 12.8.2014)