Die Designer Thomas Wüthrich und Yves Raschle setzen auf Holz aus Indonesien.

Foto: Christian Knörr/ Inch Furniture

Hinter ihrem Label Inch Furniture steht ein "schöner Zufall", erklären die beiden Designer Yves Raschle, 40, und Thomas Wüthrich, 39. Hätte das Basler Hilfswerk Mission 21 im Rahmen eines Zivildienstprogramms nicht zwei Produktgestalter gesucht, um für eine indonesische Holzfachschule Prototypen zu entwickeln, würden Raschle und Wüthrich wohl kaum mit Teakholz arbeiten. Zehn Jahre ist das jetzt her.

Sechs Monate lang arbeiteten die beiden Basler damals in Borneo und unterrichteten Design. Dabei stießen sie auf den Tischlereibetrieb Pika in der Hafenstadt Semarang auf Java. Die Werkstatt unterhält auch einen Lehrbetrieb, der zu den besten Schulen des Landes gehört. Raschle und Wüthrich waren beeindruckt von den Kenntnissen und der Arbeitsweise ihrer indonesischen Kollegen, zugleich aber schockiert über den dortigen Umgang mit Holz. Holz ist eines der wichtigsten Exportgüter des Landes. Indonesien leidet unter illegalem Holzschlag, große Teile der Regenwälder sind durch rücksichtslose Rodung bereits verschwunden. "Die lokalen Tischlereien hatten keine Chance, an legales Holz zu kommen", sagt Thomas Wüthrich.

Vom Prototyp zur Serienreife

Zurück in der Schweiz, gründeten die beiden Produktdesigner also Inch, mit dem Ziel, Möbel aus legalem, nachhaltig bewirtschaftetem Holz zu fertigen. Dazu reisen die Gestalter immer wieder nach Indonesien, mittlerweile sprechen beide fließend Indonesisch. Zwei Monate pro Jahr sind sie vor Ort und entwickeln die in Basel entworfenen Prototypen zur Serienreife.

Das Holz stammt aus dem Forstbetrieb Perum Perhutan Cepu in der nahen Umgebung der Produktionsstätte, der FSC-zertifiziert ist: Das Gütesiegel des Forest Stewardship Council bekommen nur Unternehmen, die nach strengen von sozialen und ökologischen Prinzipien geleiteten Vorschriften arbeiten. Inch Furniture will zusammen mit der Schulleitung die FSC-Zertifizierung von Pika vorantreiben. Der Betrieb, der bereits jetzt landesweit Vorbildfunktion hat, wäre dann die erste Fachschule in Indonesien mit einem solchen Zertifikat. Der Ertrag der Produktion kommt der erwähnten Schule zugute. Jährlich schließen rund 75 Lehrlinge ihre Ausbildung ab.

Das massive und doch fragil wirkende Regal nennt man "Enam".
Foto: Christian Knörr/ Inch Furniture

Stimmige Kollektion

Auch zehn Jahre nach der Gründung steht bei dem Label, dessen "In" für Indonesien und "ch" für die Schweiz steht, das umweltverträgliche Gestalten an erster Stelle. "Zeitloses Design, eine hohe Verarbeitungsqualität und die robusten Eigenschaften von Teakholz sind die besten Voraussetzungen für ein langes Möbelleben", finden die Gestalter. Mittlerweile umfasst ihre Kollektion rund 20 Entwürfe - vom Beistelltisch über Regale bis zum Stuhl. Alle Entwürfe tragen Namen, die sich vom indonesischen und javanischen Zahlensystem ableiten.

Unbestrittener Eyecatcher der ersten Kollektion ist das modulare Regal "Enam", das als Raumteiler den Raum akzentuiert. Auch ihr erstes Regalsystem "Hiji" (2012) wirkt trotz des Massivholzes leicht und filigran. Es sind Möbel für Liebhaber, die das eigenwillige Designduo entwirft - was durchaus auch seinen Preis hat. Das Sideboard "Sepuluh" kostet beispielsweise rund 5.000 Euro. Der bislang größte Coup der beiden war der "Shanghai Chair". 2010 entwarf Inch Furniture das Möbel für den Schweizer Pavillon von Bucher Bründler Architekten anlässlich der Weltausstellung in Schanghai. Der kantige Stuhl sowie die dazupassenden Salontische und Lounge Chairs sorgten international für Aufsehen.

Die Sitzmöbel stammen aus der Kollektion "Shanghai".
Foto: Christian Knörr/ Inch Furniture

Design mit einem langen Leben

Alle Entwürfe bilden eine klar erkennbare Familie - geradlinige Möbel, die ein Lob der Geometrie sind. "Unsere Formen leiten sich zuerst aus konstruktiven Fragestellungen ab", erklärt Yves Raschle. So interessierte sie beispielsweise beim Tisch "Sanga" die Verschränkung von Massivholz mit Metall. Die gedrechselten Beine sind - ähnlich wie bei der Stabelle, dem traditionellen alpinen Brettstuhl - mittels eines Holzkeils in der Tischfläche gesichert. Alle Entwürfe der Möbelmanufaktur entstehen in einem Industriegebäude am Westquai des Basler Hafengebiets. Dort, im Dreiländereck Frankreich-Schweiz-Deutschland, sind das Atelier, das Material- und Warenlager, die Prototypenwerkstatt sowie die Tischlerei untergebracht.

"Wir entwerfen ziemlich nach alter Schule - wir arbeiten nicht mit Visualisierungen, sondern mit Modellen", sagt Thomas Wüthrich. Erste Ideen werden zunächst auf Papier festgehalten, dann folgen dreidimensionale Kartonmodelle, anschließend ein Konstruktionsmodell im Maßstab 1:5. Der Entwurf nimmt dann in einfachem Sperrholz reale Dimensionen an. Erst beim Prototyp kommt das wertvolle Teakholz zum Einsatz. Die ästhetische Anmutung, die lebendige Textur, die Tiefe der Farben und die geschmeidige Oberfläche machen Teak zu ihrem favorisierten Material.

Foto: Christian Knörr/ Inch Furniture

Das tropische Nutzholz erlaubt Möbeln eine lange Lebensdauer mit einem gesunden Alterungsprozess. Jedes Möbelstück ist ein Unikat, ist doch jeder Baum anders gewachsen, hat eine andere Farbe und seine spezielle Maserung. "Uns ist wichtig, dass unsere Entwurfssprache modern, aber nicht modisch ist", sagt Wüthrich. "Bei Nachhaltigkeit geht es auch darum, ob das Design die modischen Strömungen der Zeiten überlebt."

Eine jahrhundertealte Handwerkskunst weiterzuentwickeln und daraus Möbel entstehen zu lassen, die das Potenzial für Klassiker von morgen haben - mit viel Passion und Überzeugungsarbeit verfolgen die beiden Inch-Macher ihre Strategie. Das Beste daran: Die zwei zeigen, dass sich zeitgenössisches Design und Langlebigkeit nicht ausschließen müssen. (Andrea Eschbach, Rondo, DER STANDARD, 14.8.2014)