Bild nicht mehr verfügbar.

Helfer in einem Ebola-Untersuchungszelt des Kenema Government Hospitals in Sierra Leone.

Foto: AP Photo/ Michael Duff

Genf/Freetown/Conakry - Ein Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält den Einsatz experimenteller Wirkstoffe, die noch nicht zugelassen sind, im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika für vertretbar. "Angesichts der besonderen Umstände dieses Ausbruchs und vorausgesetzt, dass bestimmte Bedingungen erfüllt werden", seien derartige Behandlungen ethisch vertretbar, hieß es am Dienstag in Genf.

Dies sei auch der Fall, wenn ihre Wirksamkeit noch nicht bewiesen und mögliche Nebenwirkungen noch nicht bekannt seien. In Genf hatte zuvor ein international besetztes Ethikkomitee zu der Frage getagt. Eine Anwendung solcher Mittel müsse aber vom jeweiligen Patienten erlaubt werden.

Regierungen müssen nicht folgen

Die Empfehlung der WHO bedeutet noch nicht, dass Regierungen, in deren Zuständigkeitsbereich die Genehmigung der Verwendung oder die Arzneimittelzulassung fällt, dies auch gestatten müssen.

Unumstritten ist die Vorgangsweise nicht: Derzeit gehen speziell rund um ein experimentelles Präparat - ZMapp (Mapp Biopharmaceutical / San Diego, Kalifornien) - die Wogen hoch. Dieses hatten zunächst zwei US-Ebola-Patienten und ein erkrankter spanischer Priester erhalten. Letzterer starb am Dienstag in Madrid. Das Mittel soll auch nach Liberia gehen. Doch die Hoffnung, die Ebola-Krise in Westafrika auf diesem Weg einzudämmen, dürfte zumindest wesentlich verfrüht sein.

"Dieses Gemisch aus humanisierten monoklonalen Antikörpern wurde noch nicht einmal an 'humanen' Primaten (z. B. Schimpansen, Anm.) erprobt", sagte der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch (Med-Uni Wien) am Dienstag. "Es gibt nur Studien mit Primaten, die noch weit vom Menschen entfernt sind. Man weiß nicht, ob das wirkt. Es gibt keine Studie zur Dosisfindung. Man weiß nicht, wann man das Mittel am besten anwendet und wie lange", sagte Kollaritsch.

Effekt der Therapie unklar

Wenn jemand, der das Mittel bekommen hätte, nach einer Ebola-Erkrankung gesunde, wisse man nicht, ob es sich um einen Effekt der "Therapie" oder um eine Spontanheilung gehandelt hätte. Das könne nur in entsprechenden klinischen Studien wissenschaftlich belegt werden.

Auch potenzielle Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Analoge Schlüsse zu anderen Arzneimitteln aus humanisierten monoklonalen Antikörpern sind jedenfalls kein gesichertes Wissen zu ZMapp oder anderen experimentellen Therapien oder Impfstoffen. Und selbst wenn man das Präparat in der derzeitigen Situation zur Anwendung freigebe, sei eine echte Eindämmung des Ebola-Ausbruchs bzw. die Heilung vieler Patienten dadurch kaum zu erwarten, meinte der Experte. "Die Produktion solcher Arzneimittel benötigt Zeit."

Klassische Mittel der Seuchenhygiene

Für Kollaritsch sind die klassischen Mittel der Seuchenhygiene der beste Weg, um Ebola zu begegnen: Finden und Isolieren von Erkrankten, Identifizierung von Kontaktpersonen, Information der Bevölkerung, Propagierung von Vorsorgemaßnahmen etc. "Das hat in der Vergangenheit ja auch funktioniert. Auf diese Weise sind die etwa 25 Ebola-Ausbrüche unter Kontrolle gebracht worden, die es bisher gab."

Freilich: Ob das auch in Westafrika funktioniere, sei mehr als fraglich. "Dort ist ja ein Grenzgebiet von drei Ländern betroffen", sagte der Tropenmediziner. Es gehe um Riten, Traditionen, Armut und ein tiefes Misstrauen der dort lebenden Menschen gegenüber dem Gesundheitswesen. Gleichwohl stehe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter hohem politischem Druck, auch die Verwendung experimenteller Medikamente zu empfehlen. (APA, 12.8.2014)