Wien/Göttingen - Bei der Suche nach den Ursachen für kooperatives Verhalten in der Gesellschaft greifen Spieltheoretiker immer wieder auf das Modell des "Gefangenendilemmas" zurück. Dabei haben die Teilnehmer zwei Handlungsmöglichkeiten: Sie können entweder kooperieren (und hoffen, dass der Mitspieler auf dieselbe Taktik setzt) oder ihren Mitspieler verraten.
Welchen Einfluss größere Netzwerkstrukturen auf die Kooperationsbereitschaft haben, untersuchen Wissenschafter, indem sie ähnliche Bedingungen herstellen wie im Gefangenendilemma. Ihren Ursprung hat diese Forschung in den Arbeiten der österreichischen Mathematiker Martin Nowak von der Harvard University (USA) und Karl Sigmund von der Universität Wien.
Die Anlage
In einem Computerlabor an der Universität Göttingen luden Forscher um den österreichischen Mathematiker Peter Bednarik Studenten zu einer Studie ein, deren Ergebnisse nun im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B" erschienen sind. In Gruppen von zehn Personen spielten die Teilnehmer anonym Gefangenendilemma-Spiele miteinander. "Sie konnten dabei verschiedene Partner haben, diese aber auch abwählen", erklärt Bednarik. Das Spiel ging über mehrere Runden und die Teilnehmer konnten das Verhalten des anderen in den vorherigen Runden in ihre Entscheidungen einbeziehen.
Es wurden Gruppen mit verschiedenen Voraussetzungen eingerichtet. Eine davon war ein statisches Netzwerk, also eines, in dem man die Mitspieler nicht wechseln konnte - auch nicht, wenn sie sich als unkooperativ entpuppt hatten. In anderen war ein Wechsel möglich, aber mit von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich hohen Kosten verbunden.
"Im Freundeskreis, in Beziehungen oder im Beruf kann man nicht einfach nach Lust und Laune Partner wechseln. Das verursacht Kosten und diesen Einfluss haben wir uns angeschaut", so Bednarik.
Die Ergebnisse
Es zeigte sich das erwartetbare Ergebnis, dass die Partner seltener gewechselt wurden, je höher die Kosten waren. Überraschender war hingegen das Ergebnis, dass die Kosten eines Wechsels keinen Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft hatten: Sowohl bei hohen als auch niedrigen Kosten war die Kooperation höher als im statischen Netzwerk.
Die Abläufe in dynamischen sozialen Netzwerken scheinen also sehr stark von der prinzipiellen Möglichkeit des Wechsels abzuhängen und nicht so sehr davon, wie oft tatsächlich gewechselt wird und wie hoch die damit verbundenen Kosten sind. Bednarik: "Das Entscheidende dabei ist also, ob man Partner wechseln kann oder nicht, und das ist ein sehr bemerkenswertes Resultat." (APA/red, derStandard.at, 16. 8. 2014)