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Auf sogenannten Kraftplätzen den Stress des Alltags wegtanzen. Auf fragwürdige Methoden fallen vor allem Menschen in Not herein. Radikale Esoterikfundis sind im Vormarsch.

Foto: Reuters/KIERAN DOHERTY

Graz - "Energietankstelle". Wer da an Benzin denkt, liegt falsch. Ob als Kultplätze, heilige Orte oder spirituelle Zentren beschrieben, in der Esoterik sind sie "Longseller", wie Roman Schweidlenka aus über 30-jähriger Erfahrung weiß. Schweidlenka ist Sektenbeauftragter des Landes Steiermark und Leiter von Logo-Eso-Info, der Beratungsstelle für Esoterik, Sekten und Okkultismus.

Zusätzlich zum jährlich von Schweidlenka und seinem Team herausgegebenen Eso-Jahresbericht, der am Dienstag präsentiert wurde, gab er heuer eine 64 Seiten starke Broschüre zu Mythen um sogenannte Kraftplätze und ihre oft fragwürdigen Wurzeln.

So wurden etwa Berge, Felsen oder auch schon größere Steine von "nationalmythischen Ideologien rechtsextremer Strömungen", auch in Ungarn, der Ukraine und im Kosovo vereinnahmt. Im Nationalsozialismus wurden vor allem die "Externsteine" im Teutoburger Wald verehrt. Der Okkultist und spätere Massenmörder Heinrich Himmler wurde 1934 Vorsitzender einer Externsteine-Stiftung, so Schweidlenka. Natürlich ist kein Stein, auf dem man beim Wandern verschnauft und die Landschaft genießt, deswegen gefährlich. Doch die Broschüre ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem "germanophilen Kultplatzboom".

Radikale im Vormarsch

Eine wirkliche Gefahr sind laut Eso-Jahresbericht radikaler Fundamentalismus und Rechtsextremismus. Sie sind laut Schweidlenkas Einschätzung weiter im Vormarsch und verführen - vor allem über Internetseiten - Jugendliche in ganz Österreich.

Die in Medien bekannt gewordenen jungen "Gotteskrieger", die aus Österreich, auch aus der Steiermark, aufbrachen, um sich dem Jihad anzuschließen, sind dabei nur ein Segment. "Fundamentalisten, die Demokratie bedrohen, finden wir in allen Weltregionen und extremen politischen Bewegungen, aber auch in einer beachtlichen Zahl esoterischer Gruppierungen", stellt Schweidlenka fest. Aufklärung sei dringend auf allen Ebenen und in Schulen nötig. Man müsse Jugendlichen den Unterschied zwischen "autoritärer, fundamentalistischer und humanitärer Religion" erklären, den Unterschied, ob man für "Menschenrechte und Demokratie oder einen autoritären, religiösen Führerstaat" eintrete.

Schweidlenka hält im Bericht auch fest: "Bezüglich des Islam erschwert eine weitverbreitete und nicht differenzierte Ablehnung dieser Religion seriöse Informationstätigkeit."

Eine "deutliche Zunahme rechtsextremer Straftaten" nahm Schweidlenka zum Anlass, um die Forderung nach einer Informations- und Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus zu bekräftigen. Ein Konzept für eine solche vom Leiter des Zeitgeschichtemuseums Ebensee wurde vom Innenministerium zwar abgelehnt, doch der Sekten- und Extremismusexperte gibt die Hoffnung nicht auf. Er schlägt vor, eine solche Stelle um die Thematik Fundamentalismus zu erweitern.

"Ressourcen reichen nicht"

Vor allem die Umtriebe im Internet seien mit den Ressourcen seines Teams nicht mehr zu bewältigen: "Im Internet boomt es, das wäre eine Aufgabe für junge, engagierte Wissenschafter, die auch ein bisserl Internetfreaks sind." Der steirische SPÖ-Jugendlandesrat Michael Schickhofer, der den Bericht mit Schweidlenka präsentierte, kann sich eine solche Stelle für die Steiermark mittelfristig vorstellen. Schickhofer sieht in Sachen Esoterik auch "das Problem, dass man schon Kindern sagt, man braucht nicht mehr in der Familie oder der Gemeinschaft an Problemen arbeiten, sondern geht eine Stunde zur Behandlung und alle Probleme sind gelöst".

Ein Feld, wo Scharlatane derzeit besonders aktiv sind, ist jenes der vielen Burnout-Betroffenen. Diesen Menschen falsche "Heilsversprechungen" zu verkaufen, untergrabe nebenbei auch noch den Kampf um gerechte Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen, warnt Schweidlenka. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 13.8.2014)