In die Wiege gelegt wurde ihr der sozialdemokratische Weg nicht: Stella Klein-Löw, 1904 als Stella Herzig in Przemysl (heute Ukraine, damals Teil der k. u. k. Monarchie) in ein liberal-jüdisches Elternhaus geboren, erlebte die Annehmlichkeiten einer großbürgerlichen Herkunft: eine Wohnung mit neun Zimmern in Wien, eine heiß geliebte Amme als engste Vertraute, frühe Förderung von Bildung und Kunst (inklusive Bekanntschaft mit Peter Altenberg), Sommer am Gut der Großmutter.

In ihren Erinnerungen bemühte sich die spätere Pädagogin, Psychologin und SPÖ-Nationalratsabgeordnete, herauszuarbeiten, dass sie soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten (hier die schöne, verwöhnte, gebildete Mutter, dort die arme, illiterate Amme) schon von frühester Kindheit an bewegt und zu Widerstand angeregt hätten. Ausführlich beschreibt sie ihre Volksschulfreundschaften mit der Hausbesorger- und der Blumenbinder-Tochter.

Vorbehalte gegen die "rote" Jüdin

Doch die einschneidendsten Erlebnisse für die junge Stella waren wohl der Erste Weltkrieg und seine Folgen: Sie erlebte mit, wie der Vater, an dem sie sehr hing, eingezogen wurde, wie ihre Familie nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreichs akut verarmte. Ab ihrem 13. Lebensjahr gab die begabte Schülerin selbst Nachhilfe und "erhielt sich weitgehend selbst", wie sie schreibt. Das seit kurzem besitzlose Bürgertum "ist gefährlich, gefährlicher als alle anderen Schichten", sagte Otto Bauer - für Stella Herzig und ihre Familie galt das nach eigenem Bekunden nicht. "Man war der jungen Republik für den Frieden dankbar", formulierte sie.

Stella schloss sich zunächst den sozialdemokratischen Pionieren, dann der roten Studentenorganisation und letztlich auch der Partei an. Sie lernte dort ihren späteren Mann, den Arzt Hans Klein, kennen, den sie für genial hielt, aber auch einzelgängerisch und schwierig erlebte. Die junge Lehrerin machte die Bekanntschaft des von ihr hoch verehrten Otto Glöckel, der die rigide Trennung von Kirche und Staat in der Bildung forderte und eine Schulreform durchsetzte. Die Februarkämpfe, das Verbot der Sozialdemokratischen Partei, der Selbstmord ihres Mannes, der Tod ihres Vaters, die Vorbehalte gegen sie, die "rote" Jüdin, im Wiener Stadtschulrat nach 1934: Den Untergang der Ersten Republik erlebte Stella Klein hautnah.

Flucht nach Großbritannien

Sie fand schließlich, gegen den Willen des Direktors, eine vorübergehende Anstellung im Jüdischen Gymnasium in der Castellezgasse - er lehnte sie ab, weil sie "keine Zionistin, statt dessen Sozialistin" war, wie sie in ihren Erinnerungen schrieb. Das Herannahen des Nationalsozialismus erlebte sie sehr unmittelbar, dennoch ignorierte sie lange die Tatsache, dass sie auch selbst in Gefahr war. Nachdem ihr jüngerer Bruder von der Gestapo verhaftet und auf den Morzinplatz gebracht wurde, bemühte sich die Familie nach Kräften um ein Visum für England für den Inhaftierten. Stella marschierte, mit dem Visum in der Tasche, seelenruhig zum Gestapo-Gebäude auf dem Morzinplatz und verlangte die Freilassung ihres Bruders. Die Sache hätte letal ausgehen können - hätte sie nicht einen Capo getroffen, den sie einst als Privatschüler immerhin bis zur Matura gebracht hatte: "Der Dümmste meiner Privatschüler", wie sie später erzählte.

Immerhin konnte der helfen, und der Bruder konnte flüchten. Nach langem Zögern entschloss sich auch Stella, nach Großbritannien zu fliehen. Sie arbeitete als Hausgehilfin und Putzfrau und engagierte sich in der sozialistischen Emigrationsbewegung, wo sie ihren zweiten Mann, den Physiker Moses Löw, kennenlernte. Sie arbeitete ab 1941 in Stevenage an einem Internat für schwer erziehbare Buben. Sie beschreibt die Arbeit mit diesen Kindern als ihre wahre Berufung - und als sie 1946 in ein "fremdes Österreich" zurückkam, arbeitete sie im Glöckel'schen Sinne an einer kindgerechten Schule weiter. Sie unterrichtete, fand ihre politische Heimat schließlich im zweiten Bezirk und engagierte sich besonders für als "schwer erziehbar" geltende Kinder. Für die SPÖ zog Stella Klein-Löw 1959 in den Nationalrat ein, wo sie hauptsächlich bildungspolitisch arbeitete. Als Vorstandsmitglied der Österreichisch-Israelitischen Gesellschaft versuchte sie auch, versöhnende Akzente zu setzen.

1970 zog sie sich in den Ruhestand zurück, 1986 starb sie in Wien. Eine kleine Gasse im zweiten Bezirk ist nach ihr benannt. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 13.8.2014)