Kritik an den Überwachungsmaßnahmen der NSA kommt zumeist aus Europa. Mit Ausnahme von Bill Binney, ehemaliger technischer Direktor des US-Geheimdienstes. Er kritisiert seinen früheren Arbeitgeber scharf. Das Ausmaß der aktuellen Überwachung sei ein totalitärer Ansatz" wie bei "Stasi, Gestapo und KGB", sagt er im Interview mit der Presse.

Funktionsunfähig

Die massenhafte Datensammlung habe die Geheimdienste funktionsunfähig gemacht. Die Datenmengen hätten sich vervielfacht, gleichzeitig gebe es aber nicht mehr Analysten, welche die Informationen auswerten können. Dennoch würde er den Geheimdiensten Geldmittel entziehen, damit sie ihre Überwachungsmaßnahmen zurückfahren müssen, "dass sie das tun, was sie tun sollen."

Bereits im Juli hat er vor dem deutschem NSA-Untersuchungsausschuss gesagt, dass das Ausmaß der Informationsbeschaffung der Verfassung widerspreche.

Projekt ThinThread

Binney hatte während seiner Zeit bei der NSA selbst eine Automatisierung der Datenanalyse forciert. Mit Projekt ThinThread hatte er gemeinsam mit seinem Kollegen Ed Loomis ein günstiges Tool entwickelt, das weltweit elektronische Signale analysieren, nach Zielobjekten filtern und Ergebnisse in Echtzeit liefern können sollte. Nur wenige Wochen vor den Anschlägen des 11. September sei das Projekt jedoch eingestellt worden. Aufgrund von Änderungen bei der Führung des Geheimdienstes und dem Einfluss der Privatindustrie, wie "The Nation" bereits 2013 berichtet hatte.

Daten vor 9/11 gehabt

Der ehemaliger Geheimdienstler ist jedoch sicher, dass man den Terroranschlag voraussagen hätte können. "Nach 9/11 haben sie tatsächlich jene Daten gefunden, die ihnen geholfen hätten, die Anschläge zur verhindern. Sie hatten diese Daten schon vorher, aber das wussten sie nicht."

"Diktaturen versuchen Menschen zu kontrollieren"

Binney hatte den Geheimdienst nach fast vier Jahrzehnten im Oktober 2001 verlassen, weil er mit der neuen Praxis des Datensammelns nicht einverstanden war. "Diktaturen versuchen immer, alles über jeden zu erfahren, um die Menschen unter Kontrolle zu halten", sagt er im Interview. Den Grund, wieso es in der US-Bevölkerung bisher keinen größeren Aufschrei gegeben hat, sieht er in der Geschichte des Landes. In Ländern wie Deutschland, in denen man Totalitarismus kenne, gebe es mehr Bewusstsein sich dagegen zu wehren.

Kein fairer Prozess für Snowden

An Edward Snowden hat er eine indirekte Warnung. Würde der Whistleblower in die USA zurückkehren, würde er dort eingesperrt und "man würde nie wieder etwas von ihm hören". Nach Binneys Ansicht bekäme er keinen fairen Prozess.

"A Good American"

Bill Binneys Arbeit ist Thema eines Dokumentarfilms des österreichischen Regisseurs Friedrich Moser. "A Good American" dreht sich um Projekt ThinThread und wurde unter anderem auch auf der Königswarte gedreht - eine Abhörstation des Heeresnachrichtenamts, an dem auch die NSA mitlauschen soll. Der Dokumentarfilm soll Ende des Jahres fertiggestellt werden. (br, derStandard.at, 13.8.2014)