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Bernard Hogan-Howe: Ein "sehr freundlicher Mann", sagt ein Taxifahrer.

Foto: AP Photo/Alastair Grant

Bisher war Tottenham für die Metropolitan Police kein so erfreuliches Pflaster. Vor drei Jahren gingen von dem Armenviertel im Londoner Norden jene Konsum-Krawalle aus, die die Stadt tagelang in Atem hielten. Viele Bewohner misstrauen ihren Ordnungshütern bis heute. Jetzt hat der Polizeipräsident persönlich zu einem besseren Image für seine Behörde beigetragen. Bernard Hogan-Howe, 56, und sein Bodyguard kamen einem kürzlich ausgeraubten Taxifahrer zu Hilfe und nahmen die mutmaßlichen Täter fest.

Eigentlich wollte Hogan-Howe in der BBC vor allem über die veränderten Anforderungen an seine Polizisten sprechen. Diese werden weniger - als Folge des Sparzwangs, den die konservativ-liberale Koalition durchgesetzt hat. Binnen vier Jahren muss die wenig effiziente Polizei auf der Insel 18 Prozent einsparen. Die Verbrechensbekämpfung hat bisher nicht darunter gelitten, im Gegenteil: Laut offizieller Statistik, aber auch Opferbefragungen zufolge, gehen die Straftaten in ganz Großbritannien zurück. London bildet dabei keine Ausnahme.

"Nicht bezahlen, Geld ist weg"

Das hat sich offenbar aber noch nicht bis zu den vier jungen Männern herumgesprochen, die am Montagvormittag ein Minicab mieteten und den Fahrer Mohammed nach kurzer Fahrt in Tottenham anhalten ließen - nur wenige Meter von dem Standort entfernt, wo Hogan-Howe gerade ins BBC-Mikrofon sprach. Anstatt die Fahrt zu bezahlen, grabschten sie einen 20-Pfund-Schein (25,16 Euro) vom Armaturenbrett und liefen davon. Der aufgeregte Mohammed unterbrach das Live-Interview und schilderte in gebrochenem Englisch den Sachverhalt: "Nicht bezahlen, Geld ist weg."

Da zeigte sich, dass Hogan-Howe nicht umsonst von Innenministerin Theresa May als "harter, entschlossener Verbrechensbekämpfer" gerühmt wird. Kühl erkundigte sich der studierte Jurist und Kriminologe nach dem Verbleib der Täter: "Wissen Sie, wo sie hingelaufen sind?" Mohammed nickte eifrig - und war zwei Sekunden später als Aushilfspolizist engagiert: Hogan-Howe und dessen Bodyguard sprangen in den Opel und verfolgten das Räuberquartett. Kurz darauf waren immerhin zwei der jungen Männer, 17 und 19 Jahre alt, fachgerecht sistiert. Sie müssen sich wegen Diebstahls und Hehlerei verantworten.

Kritik an Polizisten

Der uneheliche Sohn eines Stahlarbeiters aus dem nordenglischen Sheffield und spätere Absolvent der Elite-Uni Oxford hat damit einen neuen Rekord aufgestellt: Auf jeder Stufe seiner ungewöhnlichen Karriere vom Streifenbeamten in seiner Heimatstadt bis zum höchsten Polizisten des Landes hat der durchtrainierte Hogan-Howe höchstselbst an Verbrecher Hand angelegt. Ehe er im September 2011 den Chefposten in London übernahm, war der begeisterte Pferdeliebhaber schon in Liverpool Präsident gewesen. Dort nahm er einen Autofahrer wegen Trunkenheit am Steuer fest.

Die Imagepflege durch ihren Behördenleiter kann Scotland Yard gut gebrauchen. In den letzten Monaten standen die Ordnungshüter immer wieder in der Kritik, mal wegen zu harten Durchgreifens bei friedlichen Demonstrationen, mal wegen allzu großer Nähe zum übermächtigen Medienkonzern des US-Australiers Rupert Murdoch. Nur die Touristenscharen, die in diesen Sommertagen durch London flanieren, haben nichts zu klagen über ihre Begegnungen mit den berühmten Bobbies, jenen freundlichen, unbewaffneten Bürgerpolizisten mit hohem Helm und schier unerschöpflicher Geduld. Und natürlich Mohammed. Der Taxifahrer, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollte, rühmte seinen Samariter in den höchsten Tönen: Hogan-Howe sei ein "sehr guter, sehr freundlicher Mann". (Sebastian Borger aus London, derStandard.at, 13.8.2014)