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Hillary Clinton will Amerikas Rolle in der Welt thematisieren und damit gleichzeitig frühzeitig in den Wahlkampf starten.

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Es ist ein theaterreifes Sommerdrama, auch wenn die Hauptakteure großen Wert darauf legen, den Respekt für den jeweils anderen herauszustreichen. Hillary Clinton, erst Barack Obamas parteiinterne Rivalin im Duell ums Oval Office, dann seine Chefdiplomatin, hat deutliche Worte gefunden, um sich abzusetzen von einem Präsidenten im Popularitätstief. Es geht um Grundsätzliches, um amerikanische Größe, um Amerikas Rolle in der Welt, wobei die Turbulenzen des Nahen Ostens als illustrierende Fallbeispiele dienen.

Dass sich die Fanatiker des Islamischen Staats (IS) von einer obskuren Miliz zu einem echten Machtfaktor entwickeln konnten, hat nach Clintons Analyse auch mit Obama zu tun. Mit dem Zaudern eines Bedenkenträgers, der es ablehnte, die moderate syrische Opposition aufzurüsten, als dies noch Sinn gemacht hätte. Der damit – unfreiwillig, versteht sich - die Radikalislamisten begünstigte. Es sei ein Fehler gewesen, die Gegner Baschar al-Assads nicht zu bewaffnen, „die Leute, welche die Proteste gegen Assad ausgelöst hatten, Islamisten, Säkulare, alles nur Denkbare dazwischen“, sagte Hillary Clinton in einem Interview mit dem Magazin "Atlantic". "Das hinterließ ein großes Vakuum, das die Islamisten nun gefüllt haben."

Scharfe Vorwürfe

Ganz neu ist die Kritik nicht. Schon in ihrem Memoirenband ("Entscheidungen") hatte die frühere Außenministerin episodenhaft geschildert, wie Obama bremste, als Waffenlieferungen an die syrische Guerilla zur Debatte standen. Gemeinsam mit David Petraeus, dem damaligen CIA-Direktor, bastelte sie im Juli 2012 an einem Plan, nach dem die Gemäßigten unter den Rebellen ausgerüstet und ausgebildet werden sollten. Der Präsident legte schließlich sein Veto ein, weil er sich nach dem Irak-Desaster nicht noch einmal in einen nahöstlichen Bürgerkrieg hineinziehen lassen wollte. So beschrieb es Clinton in ihrem Buch und merkte konziliant an, dass es sich im Falle Syriens um ein wirklich verzwicktes Problem handle und sie schon verstehe, warum Obama das Risiko scheute. Neu ist, zwei Monate später, die Schärfe ihrer Vorwürfe.

"Nichts Dummes zu tun ist kein Leitprinzip"

Neu ist, dass sie die Causa Syrien hernimmt, um das Bild eines Staatschefs zu zeichnen, der ohne strategischen Kompass im Weißen Haus sitzt, sich treiben lässt, der vergessen zu haben scheint, welche ordnende Rolle sein Land im Weltgeschehen zu spielen hat. Die Maxime Obama’scher Weltpolitik – einer seiner Berater hat sie neulich auf eine simple Kurzformel gebracht. "Tu nichts Dummes."

"Große Nationen brauchen Leitprinzipien", erwidert Clinton. "Nichts Dummes zu tun ist kein Leitprinzip." Überhaupt beobachte sie die fatale Tendenz, von einem Extrem zum anderen zu pendeln, von den interventionistischen Exzessen eines George W. Bush hin zu übertriebener Zurückhaltung. Unter Bush habe man gelernt, an welche Grenzen amerikanische Macht stoße. "Inzwischen haben wir aber auch gelernt, wie wichtig unsere Macht und unser Einfluss sind, wie wichtig es ist, unsere Werte angemessen zu erklären und zur Geltung zu bringen."

Clinton in Erklärungsnot

Nur lässt allein schon die Vorgeschichte den Verdacht aufkommen, dass es nicht nur um strategische Wegweiser geht, sondern auch um eine Retourkutsche. War es doch einst der Kandidat Obama, der seine Konkurrentin in Erklärungsnot brachte, als er sie an einen folgenschweren Irrtum erinnerte, ihr Ja zum Einmarsch im Irak. 2002 gehörte Clinton, für New York im Senat sitzend, zu jenen, die Bush grünes Licht für eine Militäraktion gaben. Obama, damals ein unbekannter Provinzpolitiker, sprach währenddessen auf einer Kundgebung in Chicago von dummen Kriegen, die man besser nicht führe. Dass er den Kontrast scharf herausarbeitete, viel Kapital daraus schlug, um sich im Ringen um die Bewerberkrone der Demokraten als Mann mit den richtigen Instinkten zu profilieren, wurmt die frühere First Lady noch heute. Auch das mag erklären, dass ihre Wortmeldungen fast nach einer Abrechnung klingen, nach verspäteter Revanche.

In jedem Fall will sie Gräben aufzeigen zwischen sich und Obama, dem außenpolitischen Minimalisten. Die Wahl 2016 wirft ihre Schatten voraus, und wenn nicht alles täuscht, werden die Republikaner, ausgenommen die Isolationisten um Rand Paul, eine Melodie anstimmen, mit der Ronald Reagan 1980 seinen Widersacher Jimmy Carter besiegte: Schluss mit der Nabelschau, Schluss mit den Selbstzweifeln, Amerika ist noch immer die Nummer eins! Eine künftige Kandidatin Clinton, scheint es, will beizeiten verhindern, dass man auch sie dem Lager der Zweifler zurechnet. (Frank Herrmann, derStandard.at, 13.8.2014)