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Das Geldbörsel könnte von der digitalen Brieftasche abgelöst werden. Schon jetzt laufen viele Bankgeschäfte über Apps und über das Internet.

Foto: AP/Fernandez

Wien - Er kann es nicht mehr hören. Die Rede von der "Filiale der Zukunft" lässt Brett King den Kopf schütteln: "Banking ist kein Ort, sondern eine Dienstleistung", sagt er auf die Frage, wie Bankengruppen mit ihren tausenden Filialen auf die digitale Revolution reagieren sollen. Der Gründer des digitalen Finanzdienstleisters Moven berät weltweit Geldinstitute und er ortet viel Passivität. "Die etablierten Institute wissen nicht so recht, was sie tun sollen. Das merkt man ihnen an."

Kunden wissen, was sie wollen

Dabei wissen die Kunden sehr wohl, was sie wollen. Immer mehr Bankengeschäft wird übers Handy abgewickelt. Der Trend ist in Schwellenländern noch stärker (dort gab es die engmaschige Filialstruktur auch früher nicht), aber auch in den Industrieländern wird das Handy zum monetären Bezugspunkt. Eine aktuelle Studie von Juniper Research geht davon aus, dass bereits 800 Millionen Menschen weltweit ihr Handy für Bankgeschäfte nutzen, ob via SMS oder über spezielle Apps. Einer der Gründe für den Schwenk: Digital ist günstiger. Eine aktuelle Untersuchung der Beratungsfirma McKinsey zu den Bezahlsystemen in Europa geht davon aus, dass fast die Hälfte des gesamten Umsatzes der Banken durch neue Technologien abgegraben werden könnte.

"Die vielen Start-ups greifen unterschiedliche Teile des Geschäftsmodells an", betont Tunde Olanrewaju, Principal bei der Beratungsgesellschaft McKinsey & Company in London. "Sie werden es den Banken sehr schwer machen, zu wachsen."

Denn statt der etablierten Hausbank, die alles von Überweisungen bis Girokonto, von Vorsorge bis Immobilienkredit erledigt, wird die digitale Bank aufgedröselt. "Neue Wettbewerber aus anderen Industrien wie Apple weisen den Weg in eine Zukunft, in der hochspezialisierte Applikationen verwendet werden. Dieser Trend könnte das alte Modell der großen, integrierten Bank aufbrechen", so Olanrewaju.

Angriff der Start-ups

So lassen sich etwa Projekte über Plattformen wie Lendico finanzieren, ein Schwarm von Anlegern fungiert dabei als Kreditgeber. Bei der Geldanlage können etwa über Wikifolio private Investoren auch eigene Portfolios bauen oder in die Ideen anderer Anleger investieren. Hier geht es vor allem um die Transparenz, wie veranlagt wird. Beide Bereiche (Vermögensverwaltung und Finanzierung) sind klassische Kernbereiche einer Bank, in der teils hohe Margen verdient werden.

Viele Unternehmen, wie das Berliner Start-up Number26 oder Holvi aus Finnland arbeiten an Bezahl- und Kontoapplikationen, die auch in Österreich verfügbar sind. Kunden sollen über diese Apps nicht nur Transaktionen tätigen können, sondern erhalten auch Analysen zu ihrem eigenen Kauf- und Konsumverhalten.

Eine wichtige Schnittstelle sind dabei die Smartphones selbst, betont King. "Der Grund, warum Google oder Apple in bankähnliche Transaktionen und Dienste expandieren wollen, ist, dass sie einerseits die Geräte damit immer wichtiger machen und auch Zugang zu enorm vielen Daten bekommen." Zuletzt haben sich etwa die Gerüchte verdichtet, dass Apple für seine kommende Smartphone-Generation zusammen mit dem Kreditkartenunternehmen Visa daran arbeitet, die iPhones auch mit Kartenfunktionen auszustatten. Die digitale Brieftasche könnte das Lederbörsel ablösen.

Banken reagieren

Moven, das Unternehmen von King, verbindet das Handy der Nutzer mit einem Chip, der wie ein Sticker am Smartphone angebracht werden kann. Einige Banken reagieren auf die neue Konkurrenz und kaufen die neuen Mitbewerber auf oder beteiligen sich zumindest an den Innovationen. Im Juli hat Moven acht Millionen Dollar an Finanzierung bekommen, um international zu expandieren. Ein Teil des Geldes kam von SBT Venture, eine Risikokapital-Tochter der russischen Sberbank. Viel Beachtung hat auch die Übernahme vom Bezahldienst Simple durch die spanische Großbank BBVA gefunden.

"Zahlungen sind vielleicht das offensichtlichste Schlachtfeld, doch viele Erträge der Banken stehen in anderen Bereichen auf dem Spiel", warnt aber Olanrewaju die etablierten Geldinstitute. "Gerade die einfachen Produkte sind noch zu haben. Wenn Kunden sich heute nach einem einfachen Kredit umsehen, werden sie schlicht den günstigsten und schnellsten Weg gehen, um an das Geld zu kommen", sagt der McKinsey-Berater.

Defensive der Filialen

Günstig für den Kunden heißt aber auch weniger gewinnbringend für die Geldhäuser. In Österreich etwa sind seit dem Jahr 2000 rund 400 Zweig- und Hauptstellen geschlossen worden, zeigen Daten der Oesterreichischen Nationalbank. Knapp 5000 Bankstandorte gibt es demnach noch, wobei die größten Bankengruppen bereits Filialschließungen für die kommenden Jahre angekündigt haben. Wohin die Reise geht, daran lässt Brett King daher keinen Zweifel: "Es ist klar, dass viele Filialen verschwinden oder verkleinert werden müssen." (Lukas Sustala, DER STANDARD, 14.8.2014)