Die Kreativität der Werbebranche ist grenzenlos. Genauso wie die Phantasie unseres Autors Stefan Ender. Er denkt sich an dieser Stelle wöchentlich eine Geschichte zu einer aktuellen Werbekampagne aus. Das Magazin mit dem aktuellen Werbesujet fotografierte Lukas Friesenbichler, das Originalmotiv stammt von Jürgen Teller.

Foto: Lukas Friesenbichler/Originalfoto: Jürgen Teller

Seit Jahren schon eine couragierte Kämpferin wider den gedankenlosen Konsumwahn unserer Wegwerfgesellschaft, tritt Vivienne Westwood in ihrem Spätwerk als Schneiderin in eine Phase munterer Altersradikalität ein. Sämtliche Teile ihrer neuen Kollektion beziehen sich auf Kleider oder Dinge aus ihrem eigenen Haushalt.

Im Bild unten sehen wir an der 73-Jährigen den gestreiften Pullover, den ihr Mann Andreas Kronthaler getragen hat, als er sie vor einem Vierteljahrhundert als ihr Student an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst kennen und lieben gelernt hat. Auch das bei Humana um 35 Schillinge erstandene Stiefelpaar stammt noch aus dieser Zeit.

Foto: Lukas Friesenbichler/Originalfoto: Jürgen Teller

Die am Ende der langen Holzperlenkette befestigte Kordel hat Westwood 2006 im Buckingham Palace stibitzt, als sie von der Queen höschenlos eine hohe Ehrung entgegennahm. Das Herzstück ihres Outfits ist aber der zum Mantel umgeschneiderte Flokati-Teppich aus Westwoods Wohnung, der seine spezielle Färbung der Inkontinenz des Hundes einer guten Freundin verdankt.

Coup der klug konzipierten Kollektion ist natürlich der Bottom-Nude-Look: Westwood wurde dazu durch ihren Besuch bei einer nahen Verwandten in einem Pflegeheim inspiriert – diese war noch nicht ganz fertig angezogen, als die sympathische Modemacherin in ihr Zimmer trat. Ein alpines Wolljäckchen etwas dekonstruieren, dazu ein zartes Nichts kombinieren, und fertig ist das so perfekte wie ressourcenschonende Outfit für die Frau, die es noch einmal wissen und allen Spießern gleichzeitig die Arschkarte zeigen will. (Stefan Ender, derStandard.at, 17.8.2014)