Wien - Andreas G. ist 43 Jahre und Pensionist. Der Grund liegt in seiner schweren psychischen Erkrankung. Die ihn nun für unbestimmte Zeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu bringen droht.

Der Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Romstorfer muss darüber entscheiden, ob der Angeklagte am 27. Februar einen Nachbarn mit einem Messer bedroht hat und zurechnungsunfähig, aber so gefährlich ist, dass er eingewiesen werden muss, wie die Staatsanwaltschaft fordert.

Was nicht ganz einfach zu werden verspricht - wird doch seine Gefährlichkeit von Ärzten ein und desselben Spitals unterschiedlich bewertet.

G. wirkt eher schmächtig, spricht langsam und undeutlich, aber ruhig und überlegt. Er leugnet, dass er jemanden attackiert und mit dem Umbringen bedroht habe. Nach einem Wasserschaden seien einige Leute in seiner Wohnung gewesen, er habe zwar ein Messer in der Hand gehabt, aber gegen niemanden gerichtet.

Waffen wegen Angstzuständen

"Warum gehen Sie überhaupt mit einem Messer spazieren?", fragt Vorsitzender Romstorfer. "Das war ein Fehler." - "Es besteht ja ein aufrechtes Waffenverbot." - "Ich fühlte mich eine Zeitlang von einem alten Mann bedroht und hatte Angstzustände."

"Und wie geht es Ihnen jetzt mit der vorläufigen Anhaltung?", will der Berufsrichter weiter wissen. "Nicht so gut. Weil man nicht weg kann." - "Gut, dass ist die Freiheitsbeschränkung. Aber mit den Medikamenten?" - "Viel besser."

Das ist nämlich G.s Problem. Er ist seit langem manisch-depressiv und auch in Behandlung - in den Hochphasen fehlt ihm aber die Krankheitseinsicht, er setzt seine Tabletten ab.

Die Folgen waren strafrechtlich bisher nie gravierend - er ist unbescholten. Aber dennoch wird er immer wieder in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht, weil er mit einer Gaspistole, Dolchen oder einem Luftdruckgewehr herumläuft.

"Erhebliches Gefährdungspotenzial"

Aus diesem Grund steht in einer Stellungnahme des Otto-Wagner-Spitals auch, man sehe "ein erhebliches Gefährdungspotenzial". Interessant ist, dass sein langjähriger Arzt als Zeuge aussagt. Er kennt G. seit rund 20 Jahren kennt - aus dem Otto-Wagner-Spital. "Teilen Sie diese Einschätzung?", fragt Romstorfer den Mediziner. "Nein", lautet die klare Antwort.

Doch es gibt noch eine dritte Meinung: Das Gericht hat auch einen psychiatrischen Sachverständigen bestellt. Der zunächst eher eine Gefährlichkeit sah. "Hat sich an Ihrer Einschätzung etwas geändert?", fragt der Vorsitzende ihn. "Zumindest relativiert", lautet die Antwort.

Was naheliegend ist, denn auch der angeblich bedrohte Nachbar schwächt seine ursprüngliche Aussage ab, wirklich aggressiv sei der Angeklagte gar nicht gewesen. Die völlig unterschiedlichen Einschätzung zwischen Spital und behandelndem Arzt erklärt sich der Sachverständige damit, dass das Spital den Patienten eben nur in den kritischen Phasen sehe.

Zustimmung zu Depotinjektion

Auch bei seiner eigenen Untersuchung habe er ihn noch in die dritte von neun Risikogruppen eingeordnet. Die regelmäßige Medikamenteneinnahme derzeit habe das Bild aber verändert. Er empfiehlt daher für die Zukunft eine Depotinjektion des Wirkstoffs, die 14 Tage lang anhält, womit G. einverstanden ist.

Verteidiger Jochen Rauch kann sich daher mit seinem Wunsch durchsetzen, den auch die Staatsanwältin akzeptiert: Der Senat spricht eine Einweisung nur bedingt aus und gibt G. die Auflage, in den kommenden fünf Jahren halbmonatlich die Psychopharmaka zu konsumieren. (Michael Möseneder, derStandard.at, 14.8.2014)