Wien/Essen/Düsseldorf - Die Gerüchte und Dementis gingen lange hin und her und her und hin, am Freitag wurde es dann offiziell: Die Signa Retail GmbH rund um den Tiroler Immobilieninvestor René Benko schluckt die schwer angeschlagene deutsche Kaufhauskette Karstadt nun komplett.
Schon Anfang kommender Woche soll der 37 Jahre alte Tiroler Sohn eines Beamten, der die Schule als 17-Jähriger sein ließ und sich fortan auf Immobilien konzentrierte, die Kontrolle über die 83 Filialen übernehmen. Das haben Benkos Signa-Holding und die Berggruen Holdings am Freitag mitgeteilt.
Der bisherige Eigentümer, Nicolas Berggruen, zieht sich nach vier Jahren vollständig zurück und gibt auch seine Minderheitsbeteiligungen an den Luxus-Häusern des Konzerns und den Karstadt-Sportgeschäften ab. Der Sohn des verstorbenen Kunstmäzens Heinz Berggruen hatte die Kette im Jahr 2010 für den symbolischen Preis von einem Euro aus der Insolvenz übernommen. Mit der Sanierung hat es freilich nicht geklappt.
Ganz übernommen
Signa hat die Kaufhauskette mit Sitz in Essen nun in einem zweiten Schritt ganz übernommen - ebenfalls um einen Euro, wie Berggruen Holdings in einer Aussendung schrieb. Schon im September hatte Berggruen 75,1 Prozent an den Filetstücken des Traditionskonzerns wie dem KaDeWe in Berlin, dem Alsterhaus in Hamburg und dem Oberpollinger in München sowie den Sporthäusern an Karstadt-Vermieter Signa übertragen. Die Österreicher sollten im Gegenzug 300 Millionen Euro in die Modernisierung der angestaubten Kaufhäuser investieren. 200 Millionen davon sind laut Berggruen Holdings auch bereits geflossen.
Für den Geschäftsführer der Signa Retail GmbH, Wolfram Keil, ist der nunmehrige Deal ein logischer. Er sagte am Freitag, angesichts des bisherigen Engagements von Signa sei die komplette Übernahme derKarstadt Warenhaus GmbH in der aktuellen Lage "die logische Konsequenz". Wichtigstes Ziel sei es jetzt, dass im Warenhauskonzern Ruhe einkehre und die nächsten Schritte einer tragfähigen Sanierungsstrategie zügig beraten, verabschiedet und umgesetzt würden. Karstadt müsse "raus aus den Medien und der zermürbenden öffentlichen Diskussion", so Keil.
Worauf er anspielte, ist u. a. der Streit zwischen Arbeitnehmern und Eigentümern zum Sanierungskurs, der die vergangenen Jahre geprägt hat. Der Deutsch-Amerikaner Berggruen war lange kritisiert worden, zu wenig Geld in die Neuausrichtung von Karstadt zu investieren. Arbeitnehmervertreter werfen Berggruen vor, "mehr als 2000 Arbeitsplätze vernichtet und Kapital aus dem Unternehmen gezogen zu haben".
Zuletzt hatte die neue Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt, die als große Hoffnungsträgerin gegolten hatte, w. o. gegeben. Anfang Juli, nach weniger als fünf Monaten, hat sie ihren Platz geräumt. Sie sehe keine Basis mehr für den von ihr angestrebten Sanierungsprozess, hatte die Schwedin erklärt.
Finanzinvestor Berggruen macht aus seinem Scheitern keinen Hehl. Er räumte am Freitag ein, trotz aller Bemühungen sei es ihm nicht gelungen, Karstadt aus den roten Zahlen zu führen. "Wir machen daher den Weg frei für einen Neuanfang mit einem neuen Eigentümer."
Hürdenlauf
Auf selbigen wartet ein sehr steiniger Weg. Die Warenhäuser verlieren angesichts großer Konkurrenz an Umsatz, Karstadt hat zuletzt sogar im Online-Handel verloren. Entgegen den Bemühungen des vorletzten Geschäftsführers, Andrew Jennings, konnten die Kaufhäuser mit ihrem neuen Image junge Kunden nicht anziehen, verschreckten dafür alte. Laut dem deutschen Handelsexperten Gerrit Heinemann hat die Kette einen enormen Nachholbedarf an Investitionen: 1,5 Milliarden Euro seien nötig, um die Häuser wieder auf Stand zu bringen.
Ob Benko bzw. seine Manager das operative Geschäft stemmen, Gewerkschaft und Belegschaft auf ihre Seite bringen können, das wird mit Argusaugen beobachtet werden. Karstadt beschäftigt immerhin rund 17.000 Mitarbeiter.
Mittelfristig könnten 15 bis 20 Häuser der Kaufhauskette geschlossen werden, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Abend in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf das Umfeld des neuen Eigentümers berichtete. Vor etwaige Schließungen, wolle Benko aber bei Karstadt Haus für Haus auf Rentabilität prüfen.
Die deutsche Bundesregierung sieht den Eigentümerwechsel des 1881 gegründeten Unternehmens mit gemischten Gefühlen. Das Arbeitsministerium verfolge die Entwicklung "ganz sensibel, aufmerksam und auch durchaus mit Besorgnis", erklärte ein Sprecher.
Kaum war der Signa-Karstadt-Deal publik, gab es gleich eine Neuauflage der Gerüchte um eine Zusammenführung der deutschen Metro-Tochter Kaufhof mit Karstadt. Denn: Benko wollte Kaufhof schon einmal, 2011, übernehmen, kam aber nicht zum Zug. (gra, APA, Reuters, 15.8.2014)