Conakry/Freetown/Lagos - Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist der Weltgesundheitsorganisation zufolge möglicherweise schwerer als bisher gedacht. Es gebe Hinweise in den betroffenen Ländern, dass das tatsächliche Ausmaß des Ausbruchs weit größer sei als es die Zahl der Todesopfer und Erkrankungen erkennen ließen, teilte die WHO am Donnerstag mit. Zuletzt wurden 1.145 Todesfälle und 2.127 Krankheitsfälle gezählt. Binnen zwei Tagen sind damit laut WHO 152 neue Fälle und 76 weitere Tote gemeldet worden.

Die internationale Hilfe soll nun unter Koordination der WHO weiter hochgefahren werden. Zudem prüfen Hilfsorganisationen Möglichkeiten, die Menschen in den Krisengebieten besser mit Lebensmitteln zu versorgen, wie die Weltbank erklärte. So könnten etwa die Hunger leidende Bevölkerung in Teilen Liberias und Sierra Leones, die zum Schutz vor einer Ausbreitung der Seuche abgesperrt wurden, mit Lebensmittel aus der Luft versorgt werden.

Die Vereinten Nationen haben am Freitag bereits angekündigt, ihre Hilfslieferungen in den betroffenen Gebieten verstärken zu wollen. Die dringend benötigten Lebensmittel würden mit Lkw in die Regionen gebracht, teilte das UN-Welternährungsprogramm (WFP) mit.

Gesundheitsnotstand

Am schwersten betroffen von der Epidemie sind Guinea, Sierra Leone und Liberia, vier Todesfälle gibt es inzwischen auch im bevölkerungsreichsten afrikanischen Land Nigeria. Die WHO hat wegen der Viruserkrankung den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen und sich für den Einsatz kaum erprobter Wirkstoffe zur Bekämpfung ausgesprochen.

Die USA forderten Angehörige von Mitarbeitern der US-Botschaft in Sierra Leone auf, wegen der Ebola-Seuche das Land zu verlassen. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, da es seit dem Ausbruch an medizinischer Versorgung mangele, teilte das US-Außenministerium am Donnerstag mit. US-Präsident Barack Obama telefonierte an dem Tag mit dem Präsidenten von Sierra Leone, Ernest Bai Koroma, und mit der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf. In beiden Gesprächen habe er die Unterstützung der USA zugesagt.

Das deutsche Außenministerium hatte am Mittwoch alle deutschen Staatsbürger zur Ausreise aus den westafrikanischen Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia aufgefordert. Das gelte ausdrücklich nicht für medizinisches Personal, das dringend zur Bekämpfung des Ausbruchs benötigt werde, betonte ein Sprecher. Auch die deutschen Vertretungen blieben geöffnet. Seitens des österreichischen Außenministeriums wird von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Sierra Leone dringend abgeraten. Das Gleiche gilt für Liberia und Guinea allerdings auch mit Blick auf Terrorgefahr.

Striktere Kontrollen

Guinea rief als letztes der vier von Ebola mit Todesfällen betroffenen Länder den Gesundheitsnotstand aus. Damit waren laut Präsident Alpha Conde zahlreiche Maßnahmen verbunden, darunter striktere Kontrollen an den Grenzen und die sofortige Isolierung von Menschen, die Symptome aufweisen.

In Liberia droht wegen der Epidemie inzwischen eine Lebensmittelknappheit. Auch andere lebenswichtige Güter können das Land kaum noch erreichen, nachdem das Nachbarland Elfenbeinküste den Schiffsverkehr aus den betroffenen Ländern durch seine Gewässer verboten hat.

Auch der Luftverkehr aus und nach Liberia nimmt immer weiter ab. Die Gesellschaften Air France, British Airways, ASky und Arik haben ihre Flüge nach Monrovia bereits eingestellt. Die amerikanische Delta kündigte an, der letzte Flug der Gesellschaft starte am 27. August.

Krankenhauspersonal flüchtet in Nigeria

In Nigeria flüchten immer mehr Ärzte und Pfleger aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Ebola-Virus aus den Krankenhäusern. Betroffen sei vor allem das Yaba Mainland Hospital in Lagos, wo mehrere Infizierte auf Isolierstationen lägen, berichtete die Zeitung "Punch" am Samstag. Viele Mediziner hätten auf Druck ihrer Familien die Klinik verlassen.

Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas wurden bisher elf Ebola-Fälle bestätigt. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass eine weitere Infizierte an den Folgen der Krankheit gestorben ist. Die Tote war eine junge Krankenschwester. Sie hatte Kontakt mit einem Berater der liberianischen Regierung, der im Juli in die Millionenmetropole Lagos gereist und dort am Flughafen zusammengebrochen war. Insgesamt gibt es damit in Nigeria bereits vier Ebola-Opfer.

Hinzu kommt ein Ärztestreik, der schon länger als sieben Wochen dauert. Das wenige noch verbliebene Krankenhauspersonal arbeite derzeit rund um die Uhr, um zu versuchen, den Patienten das Leben zu retten, hieß es. "Jeder scheint große Angst vor Ebola zu haben, und niemand will helfen, was eine große Herausforderung darstellt", sagte der örtliche Gesundheitskommissar Jide Idris. "Am schlimmsten ist es auf der Quarantänestation, viele sind einfach weggelaufen, nachdem der Tod der Krankenschwester bekannt geworden ist."

Von Ebola war erstmals im März aus Guinea berichtet worden, erste Erkrankungen gab es in der Region aber wohl schon im Dezember. Das Virus hatte sich schnell nach Liberia und Sierra Leone ausgebreitet. Es handelt sich um die erste Ebola-Epidemie in Westafrika und den schlimmsten Ausbruch der Krankheit, der bisher registriert wurde. (Reuters, 15.8.2014)