Bild nicht mehr verfügbar.

Lebendige Musik, szenische Statik: Schuberts Oper "Fierrabras" im Haus für Mozart als recht unbewegte Rittergeschichte.

Foto: APA/Barbara Gindl

Salzburg - Natürlich ist Fierrabras nicht leicht zu inszenieren - aber warum tut man es, wenn man die Oper nicht mag? Claus Guth lag etwas an dem Werk trotz der Schwächen des Textbuchs; der Deutsche ging 2002 an der von Alexander Pereira geleiteten Zürcher Oper bei seiner Deutung nicht nur in Schuberts Zeit zurück, sondern holte auch noch den Komponisten selbst als zusätzliche Figur auf die Bühne. Der warmherzige Weichling führte das Ritterstück mit seinen Freunden in einer Schubertiade auf. Erdrückend war hier nicht nur die überdimensionierte biedermeierliche Kulisse, erdrückend war auch die Macht der Väter, die das Lieben ihrer Kinder behinderte. Die NZZ sprach von einer der besten Regie(theater)leistungen in Jahren.

Peter Stein schätzt den Fierrabras nicht, vor allem Joseph Kupelwiesers Libretto findet er "grauenvoll". Unverständlicherweise hat er sich entschlossen, die Oper trotzdem zu inszenieren; der konservative Regiegott ist aber ein zürnender und rächt sich an dem fehlbaren Text, indem er ihn beim Wort nimmt. Wie Guth geht auch Stein in seiner Inszenierung der "heroisch-romantischen Oper" in deren Entstehungszeit zurück - jedoch nur äußerlich.

Man sieht Hofdamen mit blonden Zöpfen am Spinnrade und Ritter in langen Kettenhemden, Bühnenbildner Ferdinand Wögerbauer stellt mit gestaffelten, flächigen Dekorationen die Bühnenästhetik zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach: Stein beschert dem Stück quasi jene zeitgenössische Uraufführung, die es nie hatte. Lediglich das strenge Schwarz-Weiß von Kostümen (Annamaria Heinreich) und Bühne fällt aus dem historischen Rahmen und soll wohl die gräuliche Schablonenhaftigkeit des Librettos veranschaulichen.

Beim Zuschauer kommt Steins demonstrativ vorgestriges Wirken als Persiflage, als Karikatur, als - Pardon: Verarschung des Werkes an. Selbst die konservativen Festspielgäste kichern oder stöhnen spätestens ab dem zweiten Akt beim Anblick des ewigen Grau in Grau. So wird der werktreue Regisseur auf seine alten Tage noch ungewollt subversiv und schafft es, dass sogar das Publikum der Festspiele nach mehr Modernität und etwas Regietheater lechzt. Nach seinem packenden Don Carlo vom letzten Sommer ist Stein mit dem Fierrabras leider nur ein schlechter Regiescherz gelungen - er wurde im Haus für Mozart dafür am Ende mit vereinzelten Buhs bedacht.

Seelenvolle Musik

Schade drum, denn vor allem die seelenvolle Musik Schuberts hätte ein anderes Umfeld verdient als Steins graue Pappmachéwelt. Ingo Metzmacher und die Wiener Philharmoniker erreichten zwar nicht jene Differenziertheit, Innigkeit und Tiefe, mit der Claudio Abbado und das Chamber Orchestra of Europe 1988 bei den Wiener Festwochen um das Werk geworben haben, dennoch fesselte und berührte die Musik. Fierrabras ist ja auch eine Choroper, den Höhepunkt stellte in dieser Produktion der Männerchor O teures Vaterland dar. Der Reichtum und die Delikatheit an Gestaltung, die der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor gelangen, waren beglückend.

Aber auch die Solisten boten Luxusklasse: Julia Kleiter sang als Karls Tochter Emma mit glänzendem Sopran ihrem geliebten Ritter Eginhard hinterher. Benjamin Bernheim zeichnete diesen in vokalen Extremen, als lyrischen Tenor, der immer wieder Richtung Heldenfach explodierte. Einen Streifzug in selbiges Terrain unternahm auch Michael Schade in der Titelpartie des aufopferungsvollen Fürstensohns: Er überstand die Expedition souverän, wenn auch sein Timbre im lyrischen Bereich gewinnender zur Geltung kommt. Dramatisch glühend Dorothea Röschmann als Fierrabras' Schwester Florinda, brav Markus Werba als Ritter Roland und Georg Zeppenfeld als milder König Karl der Große; schwach ledig- lich Peter Kálmán als Maurenfürst Boland.

Schade: Nach einer Strauss-Oper im Strauss-Jahr, einer Mozart-Oper in der Mozart-Stadt und einem Verdi (geht immer) wäre Schuberts Fierrabras eine Chance gewesen, in diesem Sommer an der Salzach endlich mit einer Rarität zu punkten. Diese Chance wurde von Stein vergeigt - dem Altmeister war mehr daran gelegen, seine Werkablehnung zu inszenieren. (Stefan Ender, DER STANDARD, 16.8.2014)