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Proteste mit der Flagge Aserbeidschan in Baku nach Vorwürfen internationaler Menschenrechtsorganisationen gegen Präsident Ilham Alyev, er setze Regierungskritiker unter Druck und bedrohe sie.

Foto: AP/Ilkin Huseynov

Urlaub ist Urlaub, das gilt auch für die Politik. Nicht so in Aserbaidschan. Da wird das Sommerloch für eine Flurbereinigung in Sachen Menschenrechte genützt.

Menschenrechtsorganisationen gefilzt

Innerhalb weniger Tage wurden die Büros von vier Menschenrechtsorganisationen gefilzt, deren Leiter in Untersuchungshaft genommen. Mehr als einem Dutzend andere NGOs wurden die Konten gesperrt, die Büros ebenfalls durchsucht. Nun auch jenes, das sich für Freiheit und Sicherheit von Journalisten einsetzt. Emin Huseynov, Gründer und Leiter des "Institute for Reporters Freedom and Safety", IRSF, konnte gerade noch gemeinsam mit seinem Bruder untertauchen. Nun sind sie Gefangene im eigenen Land.

Von der Polizei niedergeschlagen

Der 33jährige Emin Huseynov leidet an einem Schädel-Hirn-Trauma, seitdem er vor elf Jahren von der Polizei niedergeschlagen wurde. Seine Lage ist verzweifelt. Seit am 8. August ein Haftbefehl gegen ihn ausgesprochen wurde, ist er vogelfrei.

Willkürliche Verhaftungen

Was er sich hat zu schulde kommen lassen? Vor acht Jahren hatte er die von ihm geleitete NGO gegründet, setzt sich seitdem unermüdlich für Journalisten ein, für Blogger und für Medienfreiheitsaktivisten, die im ganzen Land seitens der Behörden unter Druck gesetzt werden. Er organisiert Kampagnen gegen die Verleumdung und Verfolgung von Journalistinnen und Reportern, gegen die willkürliche Verhaftung aller jener, die auf dem Recht der Meinungsfreiheit bestehen.

Im Mai dieses Jahres wurde er in Hamburg von der ZEIT-Stiftung mit dem Gerd Bucerius Preis für Medien in Osteuropa ausgezeichnet.

Erstaunlich unabhängiges Fernsehen

Noch etwas machte ihn in hohem Maße suspekt und "würdig", inhaftiert genommen zu werden. Vor einigen Jahren war Huseynov mit OBJECTIV-TV online gegangen, eine Sender, der übrigens nach wie vor erstaunlich unabhängig und frei von Propaganda unter anderem über die Situation in der Ostukraine berichtet.

Für diesen Sender arbeitete auch sein Bruder Mehman als Kameramann. Dieser wurde Ende Mai vorübergehend verhaftet und mit einem Ausreiseverbot belegt. Begründung: das Kriminalverbrechen Hooliganismus. Das entsprechende Verfahren läuft noch.

Kamera zertrümmert

Mehman Huseynov hatte eine, wohlbemerkt nur verbale, Auseinandersetzung mit einem Polizisten, als er am 21. Mai eine Demonstration vor dem Rathaus in Baku filmte. Journalisten waren da offenbar unerwünscht, seine Kamera wurde zertrümmert. Das war allerdings nicht sein erster Zusammenstoß mit Ordnungshütern.

"Sing for Democracy"...

"Sing for Democracy" lautete eine Bürgerrechts-Kampagne am Vorabend des Eurovision Songtestes 2012 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Wir erinnern uns: Österreich schied damals schon im 1. Halbfinale an letzter Stelle mit dem berückenden Song "Wokl mit deim Popo" und der beeindruckenden Punktezahl 8 aus. Selbst dem aserbaidschanischen Jury-Mitglied war dieser nun wirklich nicht politische Song offenbar zu seicht.

...wurde zum Verhängni

"Sing for Democracy" wurde auch den vier einstigen Koordinatoren dieser Kampagne zu Verhängnis. Sie alle leiten die prominentesten NGOs des Landes. Schlag auf Schlag wurden sie in den vergangenen Wochen verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

  • 8. August: Intigam Aliyev, einer der wenigen Menschenrechtsanwälte des Landes.
  • 2. August: Rasul Jafarov, Journalist und Leiter des Human Rigths Club
  • 30. Juli: Arif und Leyla Yunus, Menschenrechtsaktivisten, Gründer der NGO "Peace and Democracy Institute in Baku.

Mehrmonatige Untersuchungshaft

In Schnellverfahren wurde mehrmonatige Untersuchungshaft verhängt. Auch ihnen werden, wie bei politischen Fällen üblich, diverse Vergehen vorgeworfen: Steuerhinterziehung, illegales Unternehmertum, Missachtung der Behörden, Betrug - im Falle von Leyla Yunus noch dazu Spionagetätigkeit für Armenien.

Frankreich hat die Menschenrechtsaktivistin übrigens mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet. Die Zeitung "Le Monde" nennt sie eine der wenigen kritischen Stimmen in Aserbaidschan.

Kritiker mundtot machen

Die offiziellen Stimmen in Aserbaidschan bezeichnen sie als eine Kriminelle. Sorge um ihre Gesundheit ist angesagt, da sie an Diabetes leidet und die ärztliche Versorgung in den aserbaidschanischen Gefängnissen angeblich nicht die beste ist – um es einmal so zu sagen. Auch so kann man Kritiker mundtot machen. (Rubina Möhring, derStandard.at, 16.8.2014)