Angesichts der hohen Bedeutung internationaler Bildungsbewertungen wie des Pisa-Rankings ist es bemerkenswert, dass man es auch ohne besondere Abschlüsse oder als Schul- und Studienabbrecher zu etwas bringen kann.

Trotz abgebrochenen Studiums wird jemand sogar Außenminister oder mit dem Besuch einer Handelsschule Nationalratspräsidentin wie im Fall der kolportierten Nominierung von Doris Bures. Letzteres hat sogar Tradition. Franz Jonas zum Beispiel, ein gelernter Schriftsetzer, wurde Bundespräsident.

Diese Karrieren unterstützen die oft geäußerte Meinung, dass schulische Exzellenz nicht alles ist, ja, dass viel zu viele junge Menschen auf die Universitäten und Fachhochschulen wollen. Eine solide Lehrlingsausbildung wäre für viele von ihnen besser, wird argumentiert. Sie würde der Wirtschaft nutzen - denn sie bekäme mehr Facharbeiter.

Tatsächlich geraten auch manche Bildungsinstrumente angesichts der Ranking-Manie und der Vorstellung, die Schule sei ein sportlicher Wettbewerb mit Siegern und Verlierern, in Vergessenheit: der breite Fächer der Erwachsenenbildung oder Kurse, die von den Parteiakademien, dem ÖGB oder dem Wifi angeboten werden. Versäumte Bildung kann also nachgeholt werden.

Bedarf an Exzellenz

Eine Gefahr darf nicht unterschätzt werden: die Vernachlässigung des Bildungsniveaus. Schulen und Universitäten brauchen Exzellenz, weil sonst die Mittelmäßigkeit der Maßstab ist. Die Spirale würde sich nach unten drehen.

Das spielt in der Politik eine Rolle. Der Nationalrat, wo Mandatare mit Doktorat eine eklatante Minderheit sind, steht nicht im Ruf, ein Verfechter von Exzellenz in Wissenschaft und Forschung zu sein. Der Zustand der Autobahnen provoziert stärkere Diskussionen.

Haben deshalb und im Sinne einer Opposition gegen die Mittelmäßigkeit die Neos recht, indem sie autonome Schulen fordern? Die in letzter Konsequenz einer Teilprivatisierung des Schulsystems gleichkommen? Das würde Karrieren à la Kurz und Bures verhindern oder zumindest behindern - aber die Frage aufwerfen, wer von der Entmachtung des Staates im österreichischen Bildungssystem profitieren würde.

Überwindung der Klassenhürden

Mithilfe des staatlich - und demokratisch - kontrollierten Schulsystems werden sozial schwächere Schüler und Schülerinnen gefördert, Begüterte mit Benachteiligten konfrontiert. Es wird nicht nur Wissen gelernt, auch das Klettern.

Der Aufstieg der Doris Bures von der Zahnarzthelferin zur zweitmächtigsten Persönlichkeit der Republik ist also ein Beispiel für die Überwindung der Klassenhürden, die bei Bures zusätzlich einen frauenbewegten Hintergrund hat.

In der Frage, ob staatliche Mittel für den Vorschulbereich in den Ausbau der Kinderkrippen und Kindergärten fließen sollen anstatt "in die Hand der Mütter" (Jörg Haider), ist die Antwort klar. Diese Gelder sind kein Ausgleich für die wachsende Steuerlast und keine Hilfe für Häuslbauer. Sie haben die geistigen Grundstrukturen zu sichern. Und die Chancengerechtigkeit, die nur durch staatliche Eingriffe und Korrekturen zu erreichen ist. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 18.8.2014)