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Hilfe aus Brüssel kommt unter anderem für Apfelbauern.

apa/Karl Josef Hildenbrand

Berlin/Moskau - Europas Landwirte sind alarmiert. Russland hat als Reaktion auf die Sanktionen der EU und der USA ein Einfuhrverbot für westliche Agrarerzeugnisse verhängt. Darunter fallen neben Obst und Gemüse auch Fleisch-, Fisch- und Molkereiprodukte. Bis dato gingen rund zehn Prozent aller Agrarexporte der EU nach Russland. Deshalb bekommen viele europäische Landwirte jetzt direkt oder indirekt die Folgen zu spüren.

Auch Deutschland ist betroffen. Die dortigen Bauern exportierten vergangenes Jahr Obst und Gemüse im Wert von rund 60 Millionen Euro nach Russland. Das ist zwar verhältnismäßig wenig. Sie fürchten nun aber einen starken Preisverfall. Aufgrund des milden Winters und des warm-feuchten Sommers fällt die Apfelernte in Deutschland beispielsweise 29 Prozent besser aus als vor Jahresfrist.

Andere Länder wie Polen haben in der Vergangenheit besonders viele Äpfel nach Russland exportiert. Da sie diese dort nun aber nicht mehr absetzten dürfen, könnten die Äpfel letztlich auf dem europäischen Markt landen. Dieses Überangebot kann zu einem Preisverfall führen. "Aber keiner kann sagen, um wie viel der Preis fällt - jedoch sind sich alle Experten einig, dass er fallen wird", klagt Hans-Dieter Stallknecht vom Deutschen Bauernverband.

Notstopp für Pfirsichtransport

Auch den Griechen fehlt auf einmal ein großer Abnehmer für Pfirsiche. Als Russland das Einfuhrverbot in Kraft setzte, waren gerade mit rund 8000 Tonnen beladene Lkws auf dem Weg nach Russland. Im Norden Griechenlands mussten die Laster stoppen, da sie ihre Ware nicht hätten ausliefern können. Die Pfirsiche wurden eingefroren.

Auch andere Zweige der Agrarwirtschaft sind von dem Einfuhrverbot direkt betroffen. Beispielsweise stellte Europas größte Molkerei Arla Foods mit Sitz in Dänemark umgehend die gesamte Produktion für den russischen Markt ein. Das Russlandgeschäft macht immerhin 1,3 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Brüssel hilft Obst- und Gemüsebauern

Nach dem Importverbot hilft Brüssel betroffenen Bauern. Erzeuger von knapp 20 leicht verderblichen Obst- und Gemüsesorten können EU-Hilfe beantragen, gab die Brüsseler EU-Kommission am Montag bekannt. Die Behörde hatte die Stützungsmaßnahmen vergangene Woche angekündigt. Geplant sind Aufkäufe und Entschädigungen für vorzeitige Ernte oder Ernteverzicht.

Landwirte können ab Montag auch rückwirkend Unterstützung beantragen. Die Vorkehrungen gelten bis Ende November, die EU-Kommission geht von Kosten in Höhe von 125 Millionen Euro aus.

Die Hilfe gilt für Erzeuger von Tomaten, Karotten, Weißkohl, Paprika, Karfiol, Gewürz- und Salatgurken, Pilzen, Äpfeln, Birnen, Trauben zum Verzehr, Kiwis und roten Früchten - Letzteres ist ein Sammelbegriff für sieben Beerensorten. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos teilte mit: "Alle Bauern, die die betroffenen Produkte anbauen - egal ob in Erzeugerorganisationen oder nicht -, kommen für diese Marktstützungsmaßnahmen infrage, wenn sie das für nötig halten."

Europäische Spezialitäten fehlen auf der Speisekarte

Doch auch auf russischer Seite sind deutliche Konsequenzen zu spüren. Zwar haben Restaurants und Lebensmittelhändler noch einen Vorrat an europäischen Produkten, aber diese werden bald zur Neige gehen. Deshalb hat die Suche nach Alternativen bereits begonnen. Profiteure sind vor allem die südamerikanischen und asiatischen Landwirte.

Aber nicht nur: "Die Nachfrage aus Russland nach türkischen Produkten zog an, nachdem die Beschränkungen im Handel mit den USA und der EU verhängt wurden", sagt der Chef des Außenhandelsverbands, Mehmet Buyukeks. Besonders die Nachfrage nach Geflügel und Meeresfrüchten dürfte deutlich steigen, doch könne die Türkei auch mehr Obst und Gemüse liefern.

Aber nicht für alles gibt es Alternativen. Französischer Käse, italienischer Parmaschinken oder australische Ribeye-Steaks - viele regionale Spezialitäten werden wohl bald von den Speisekarten in russischen Restaurants verschwinden. "Wir werden unser Bestes geben, um zu überleben," sagt Alexej Paperni, Besitzer des Moskauer Cafés "Kinder des Olymp". "Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Restaurant oder Café unter diesen Umständen existieren kann." (Reuters, 18.8.2014)