Die Medien als vierte Gewalt – natürlich ist dieses Schlagwort ebenso überstrapaziert wie auch in enger Auslegung unzutreffend (in keinem demokratischen Grundgesetz ist die Rede davon). Aber im Kern stimmt die Aussage schon: In freien, demokratischen Gesellschaften hat der Journalismus die wichtige Aufgabe zu informieren; und zwar nicht nur über Themen, die den Mächtigen genehm sind: Er hat das verfassungsmäßige Recht dazu, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Was dem USA-Korrespondenten des STANDARD, Frank Herrmann, in Ferguson, Missouri, widerfahren ist, lässt aber an der demokratischen Gesinnung des amerikanischen Polizeiapparats zweifeln. Er und Ansgar Graw, ein Kollege der deutschen Zeitung "Die Welt", wurden am Montagnachmittag (Ortszeit) von der Polizei festgenommen. Der Vorwurf: Sie hätten sich den Anweisungen der Polizei widersetzt – dabei kamen sie bloß glaubhaft und im Rahmen der Standards für seriösen Qualitätsjournalismus ihrer Pflicht zur Berichterstattung nach.

Seriös, zurückhaltend und gewissenhaft

Frank Herrmann ist, wie die Leserinnen und Leser des STANDARD seit vielen Jahren wissen, ein herausragender Korrespondent. Seine Reportagen, Berichte und Analysen sind stets Modellbeispiele für Ausgewogenheit, Fairness, Tiefgang und penible Recherche. Und so wie seine Arbeit ist auch Frank Herrmann selbst: seriös, zurückhaltend und gewissenhaft. Unmöglich, sich vorzustellen, Frank Herrmann habe Anordnungen der Polizei nicht Folge geleistet oder sich diesen gar widersetzt – was zur vorübergehenden Festnahme führte.

Die Festnahme und die gegen Herrmann und Graw geäußerten Vorwürfe seien absurd und "dienten offenkundig nur dem Zweck, Reporter einzuschüchtern und sie damit von ihrer Arbeit abzuhalten", kommentierte unser Korrespondent den Vorfall. Zuvor hatte er drei Stunden in Haft verbringen müssen – und zwar ohne die Möglichkeit erhalten zu haben, zumindest ein Telefonat zu führen.

Fehlerhafte Lagebeurteilung

Möglich, dass die Festnahme eine Folge nervöser Überreaktion eines Polizisten war. Der Druck, der in diesen Tagen auf der Polizei in Ferguson lastet, ist zweifellos immens. Eine fehlerhafte Lagebeurteilung, eine fragwürdige Entscheidung und eine daraus resultierende falsche Handlung – nämlich die Festnahme mit Handschellen und die Unterbringung in einer Arrestzelle – wären im Extremfall vielleicht sogar noch nachvollziehbar.

Es steht aber zu befürchten, dass ein System dahintersteckt, wenn die US-Behörden Reportern auf diese drastische Weise Grenzen aufzeigen. Doch solche Grenzen dürfen nicht existieren; nicht wenn das Handeln der Journalisten verantwortungsbewusst ist und mit einer Festnahme das Recht auf Informationsfreiheit aufs Spiel gesetzt wird. (Gianluca Wallisch, derStandard.at, 19.8.2014)