Bild nicht mehr verfügbar.

Marcel Koller will nicht immer der Verlockung des offensiven Pressings nachgeben: "Setzt der Gegner auf lange Bälle, ist ein Pressing im Mittelfeld sinnvoller."

Foto: APA/Robert Jaeger

Am 8. September wird es für Marcel Koller und sein Team endlich wieder ernst. Gegen Schweden soll Österreich ein erfolgreicher Auftakt zur EM-Qualifikation gelingen. Am Dienstag wird der Schweizer seinen Kader nominieren, davor sprach er noch mit Tom Schaffer.

Standard: Das ÖFB-Team stand zuletzt gerne tief und setzte auf Konter. Warum wurde nach der verpassten WM-Qualifikation nicht eher das Pressing forciert?

Koller: Wir haben auch einen Gegner. Der sieht sich unsere Spiele an und will nicht zulassen, dass wir ihn einschnüren. Offensiv-Pressing ist eine geeignete Variante, wenn der Gegner mit kurzen Pässen das Spiel aufbauen will. Setzt er hingegen auf lange Bälle, ist ein Pressing im Mittelfeld sinnvoller.

Standard: Mannschaften, die hoch pressen, machen ihre Goalies zum Libero. Bringen Ihre Torhüter überhaupt die erforderlichen Qualitäten mit?

Koller: Bestimmt. Der Torhüter kann ja nicht Blümchen kucken, sondern muss das Spiel verfolgen. Und wenn er ein bisschen Spielintelligenz hat, sieht er, ob er zurückgehen oder hoch stehen muss. Macht er das nicht gut, kann ihn der Gegner aus der eigenen Hälfte überheben.

Standard: Robert Almer bringt kaum Matchpraxis mit. Was macht ihn trotzdem zu Ihrer Nummer 1?

Koller: Er ist gut am Fuß, hat eine gute Größe und bringt Erfahrung mit. Er hat gute Matches gezeigt, uns oft im Spiel gehalten. Wenn er die Leistung bringt, sehe ich keinen Grund, etwas zu ändern.

Standard: Zuletzt konnte man eine Wiederbelebung der Dreierabwehr beobachten. Beschäftigt Sie das oder steht dem ÖFB-Personal derlei nicht?

Koller: Ich habe das im Trainerteam besprochen. Es ist sicher eine Variante. Dies zu trainieren braucht aber Zeit, die wir jetzt nicht haben. Die Dreierkette ist für die Innenverteidiger ein anderes, engeres Spiel. Auch für die Außenspieler, die dann hin und her sprinten müssen. Wir haben jetzt zwei Jahre in einem System gespielt, das gibt den Spielern auch Sicherheit.

Standard: Auf den Außenpositionen ist mit Florian Klein, Andreas Ulmer und Markus Suttner die Konkurrenz zuletzt größer geworden, dafür schwächelt die Einsergarnitur. György Garics ist mit Bologna in die Serie B abgestiegen, Christian Fuchs ist in jüngerer Vergangenheit formschwach.

Koller: Das sehe ich nicht so. Fuchs hatte Probleme mit dem Knie, hat sich auch bei Schalke mit Medikamenten und Spritzen durchgekämpft. Er hat da sicher Schmerzen gespürt. Ich habe mit ihm telefoniert, er ist wieder voll einsatzfähig.

Standard: Wo sehen Sie die entscheidenden Unterschiede zwischen diesen Außenverteidigern?

Koller: Links spielen alle drei mit dem gleichen Zug nach vorne. Rechts ist Klein auch sehr aktiv. Garics ist eher der Taktiker mit gutem Stellungsspiel, der vielleicht weniger diesen Zug nach vorne hat.

Standard: Die Rolle von David Alaba bei Bayern München ändert sich. Hat das Auswirkungen auf das Team?

Koller: Im DFB-Pokal hat er wie bei uns im defensiven Mittelfeld gespielt. Für uns ist das sicher besser. Man hat schon gespürt, dass er immer ein paar Tage gebraucht hat, um sich an die Position im Team zu gewöhnen.

Standard: Marc Janko spielt jetzt in Sydney und ist trotzdem kaum zu ersetzen. Warum?

Koller: Wir sind im Sturm nicht so gesegnet, vier oder fünf Spieler zu haben, die international über einen längeren Zeitraum regelmäßig Tore schießen. Marc hat uns da mit seiner Präsenz und Kopfballstärke immer gutgetan. Die beiden schwedischen Verteidiger werden auch diesmal wieder über 1,90 Meter sein. Und wir werden sicher wieder den einen oder anderen langen Ball spielen. Da ist es wichtig, dass man körperlich etwas dagegensetzen kann.

Standard: Zlatan Ibrahimovic ist verletzt. Kann man offensiver agieren, wenn er ausfällt?

Koller: Nein, überhaupt nicht. Ibrahimovic ist ja ein schlauer Fuchs, der zieht sich nicht im Zentrum zurück, sondern auf die Seite. Defensiv tut er nicht so viel. Ein anderer wird da mehr arbeiten, da wird es für uns vielleicht gar nicht einfacher.

Standard: 2015 wird Ihr Team oft auswärts spielen. Das war zuletzt keine Stärke. Was kann man tun und wird das bei der Testspielplanung diesmal berücksichtigt?

Koller: Man kann das kaum eins zu eins testen. Wir haben in Tschechien ein schlechtes Spiel gemacht und gewonnen. In Schweden haben wir trotz einer super ersten Hälfte verloren. In Irland haben wir geführt und mussten am Ende zurückkommen. Das Team hat gezeigt, dass es spielerische und mentale Qualität hat. Auswärts muss man einfach noch mehr tun, sich noch mehr dagegenstemmen.

Standard: Gegen Schweden ist es Ihrem Team nicht gelungen, eine Führung zu halten. Sie haben Österreich daraufhin einen Plan B verpasst, der auf tieferem Verteidigen basierte. Zuletzt war dann wenig anderes als das zu sehen. Ist das überhaupt noch ein Plan B oder schon die Einservariante?

Koller: Das ist weder das eine noch andere. Es soll Variabilität im Spiel möglich sein. Wir geben vor, wie wir das Spiel beginnen. In der Pause können wir den Spielern etwas mitgeben. Die Spieler sollen aber auch selbst auf dem Platz sehen, ob man Tempo rausnehmen oder Gas geben muss. Dafür müssen drei bis vier Spieler dieselbe Idee haben. Das braucht Erfahrung, die wir im Team noch nicht so haben.

Standard: In den Testspielen hat das tiefe Verteidigen selten gut funktioniert. In drei Spielen gelang es nicht, eine Führung durchzubringen, und die Konter waren auch nicht so gefährlich. Ist der Plan B überhaupt EM-Quali-tauglich?

Koller: Da muss ich Ihnen ein bisschen widersprechen. Wir haben schon Konter gehabt, die hervorragend waren. Gegen Uruguay sind wir mit sechs, sieben Spieler vorgekommen. Gut wäre es natürlich, wenn der Ball dann auch im Tor ist. Das ist aber nicht gelungen, weil wir am Sechzehner falsche Entscheidungen getroffen haben oder überhastet waren. Da können Kleinigkeiten entscheidend sein.

Standard: Gegner Russland war bei der WM ja nicht so berauschend.

Koller: Das sehe ich etwas anders. Es hat vielleicht nicht so ausgesehen, als wären sie unschlagbar. Aber wir dürfen sie nicht unterschätzen. Sie haben nicht so einen Einzelspieler wie Ibrahimovic. Aber sie haben in der Offensive schnelle Spieler, die Schmerzen bereiten können. Alle Spiele werden sehr eng, man wird nicht so viele Möglichkeiten bekommen. Wir werden auf einem Top-Level sein müssen.

Standard: Jürgen Klopp sagte kürzlich, die Tage, an denen alles passt, könne man an einer Hand abzählen. Gab es so einen Tag für Sie schon mit dem österreichischen Team?

Koller: Also wenn wir die Deutschen geschlagen hätten … Nein, den gab es noch nicht. Aber als Trainer sieht man sowieso immer noch dort und da etwas. Da muss ich Klopp schon recht geben. (Tom Schaffer, DER STANDARD, 25.8.2014)