Bild nicht mehr verfügbar.

Ob sich der Kreml den Segen für die Sanktionen in der benachbarten St.-Basilius-Kathedrale geholt hat, ist nicht überliefert. Klar ist, dass sich das wirtschaftliche Klima seither verschlechtert hat.

Foto: EPA/Kuchetkov

Wien - Zahlreiche österreichische Unternehmen fahren derzeit auf Sicht. Die diversen Krisenherde, allen voran der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, wirken sich noch gar nicht oder nur geringfügig auf die Geschäftsentwicklung aus. Allerdings wächst die Angst vor einem Anhalten oder einer Eskalation der Situation. Das würde das ohnehin schon nach unten korrigierte Wachstum zusätzlich belasten.

Als Beispiel für die Brisanz der Lage kann der Flughafen Wien herangezogen werden. Er hat den operativen Gewinn im ersten Halbjahr im Vorjahresvergleich um gut sechs Prozent auf 63,1 Millionen Euro gesteigert. Im Juli, also nach dem Halbjahresstichtag, sind die Osteuropa-Passagiere wegen der Unruhen um knapp fünf Prozent zurückgegangen. Zwar konnten markante Steigerungen im Nordamerika- und Fernost-Verkehr die Einbußen überkompensieren, allerdings wären weitere Rückgänge im Ostgeschäft schmerzhaft.

Unsicherheiten am Absatzmarkt

Geopolitisch bedingt hat sich auch der Ausblick der Semperit AG (Untersuchungshandschuhe, Schläuche) eingetrübt, die stark von globalen Zyklen abhängig ist. Auch sie konnte das Ergebnis im ersten Halbjahr verbessern, verspürt aber von Russland ausgehende "Unsicherheiten in einzelnen Absatzmärkten": Wegen der Sanktionen komme es zu Ausweichmanövern von Mitbewerbern auf andere Märkten, die den Konkurrenzdruck erhöhten.

Andere Branchen, andere Sitten: Der Ziegelhersteller Wienerberger, der stark in Osteuropa präsent ist, verspürt bisher, abgesehen von der Rubel-Abwertung, keine (neuen) Krisenerscheinungen. Das Wachstum in Russland sei stabil, vermeldete der Konzern am Dienstag. Auch für Osteuropa halte man an den zu Jahresbeginn getroffenen Annahmen fest. Im ersten Halbjahr setzte Wienerberger die Restrukturierung fort und drehte das Vorsteuerergebnis von minus 29,2 Millionen Euro in der Vergleichsperiode 2013 auf heuer plus 4,5 Millionen Euro.

Versorger mit Problemen

Auch wenn jede Branche ihre eigenen Gesetze hat: Generell schlagen sich an der Wiener Börse notierte Industriebetriebe bisher nach wie vor gut, während einige Versorger mit Problemen kämpfen, wie RCB-Analyst Bernd Maurer meint. Stromerzeuger wie der Verbund kämpfen u. a. mit niedrigen Großhandelspreisen, die Telekom Austria leidet unter Margendruck und Abwertungen in Bulgarien, die Banken müssen gerade ihre Risikovorsorgen in Osteuropa erhöhen. Aufgrund des höheren Gewichts von Versorgern und Banken dürfte der Gewinn pro Aktie der Wiener ATX-Werte wegen hoher Einmaleffekte heuer um 40 Prozent zurückgehen, schätzt RCB. Maurer meint, die nachlassende Konjunktur samt Russland-Effekten zeigten zwar ihre Wirkung, allerdings entwickelten sich die Unternehmen am heimischen Aktienmarkt grosso modo wie zu Jahresbeginn erwartet. Nur nach dem wirtschaftlichen Aufschwung im ersten Quartal hätten sich zwischenzeitlich die Prognosen erhöht, die nun wieder etwas zurückgenommen würden.

Die große Frage ist jetzt natürlich, wie es in der Causa Russland weitergeht. Nach russischen Medienberichten über potenzielle Sanktionen gegen die europäische Autoindustrie machten am Dienstag Spekulationen die Runde, Moskau könnte Maschinen- und Anlagenbauer ins Visier nehmen. Das würde Österreich besonders hart treffen, ist aus der Wirtschaftskammer zu hören. Die direkten Kfz-Exporte nach Russland fallen hingegen mit einem geschätzten Volumen von 100 Millionen Euro nicht allzu stark ins Gewicht. Betroffen wäre vor allem die starke heimische Zulieferindustrie.

Säbelrasseln

Eine Bewertung ist schwierig, weil westliche Autoproduzenten mit Werken in Russland möglicherweise von Sanktionen ausgenommen wären. So weit ist es freilich noch nicht. Der Kreml stellt weitere Maßnahmen nur für den Fall zusätzlicher Embargos seitens der USA und der EU in Aussicht. Manche Beobachter tun die Äußerungen ohnehin als Säbelrasseln ab. (as, DER STANDARD, 20.8.2014)