Und noch ein weltgeschichtlicher Jahrestag. Im Sommer vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus, im Sommer vor 25 Jahren begann der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks, im Spätsommer vor 75 Jahren ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen.

Ist "ausgebrochen"? Schon falsch. So sehr man sagen kann, dass die europäischen Mächte in den Ersten Weltkrieg als "Schlafwandler" (Christopher Clark) hineintaumelten, so sehr steht fest, dass der Zweite Weltkrieg gewollt, geplant, bewusst herbeigeführt wurde - von Adolf Hitler.

Das ist wichtig festzuhalten, im Hinblick auf die Jüngeren, die einer laufenden Geschichtsfälschung von ganz rechts ausgesetzt sind oder auch nur im Schattenreich des Internets über allerlei Verschwörungstheorien stolpern.

Weltkrieg I war ein kollektives Versagen: der großserbische Ultranationalismus, Habsburgs Wunsch, diesen und alle anderen Störfaktoren des Vielvölkerreiches mit einem "Befreiungsschlag" loszuwerden, Deutschlands Streben nach Hegemonie in Europa, Frankreichs Furcht vor dem Reich, Russlands imperiale Ambitionen auf dem Balkan, Englands Streben nach dem Kräftegleichgewicht.

Weltkrieg II war hingegen ein klar zuzuordnender Willensakt. Die Möglichkeit dazu bestand, weil Hitler eine äußerlich ebenso erfolgreiche wie erbarmungslose Diktatur errichtet hatte, weil die Eliten (auch im hohen Militär) trotz schwerer Bedenken keinen Widerstand leisteten und weil die keineswegs kriegsbegeisterte Bevölkerung letztlich doch mitmachte.

Hitler fand so die Voraussetzungen vor, großteils schuf er sie auch selbst, für das, was er immer wollte. Schon 1924, in seinem millionenfach abgesetzten Buch Mein Kampf hatte er seine beiden Lebensziele, die "Unschädlichmachung" der Juden und die Eroberung von "Lebensraum" im Osten klar ausgesprochen.

Diesen Dualismus behielt er bis zur klarsten öffentlichen Ansage im Jänner 1939 bei: "Wenn es dem internationalen Finanzjudentum ... gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann würde das Ergebnis ... die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa (sein)." Krieg und Holocaust, in Täter-Opfer-Umkehr ein halbes Jahr vorher angekündigt.

Dazwischen, nach der Machtergreifung im Jänner 1933, skizzierte er intern seine Pläne vor den Eliten, aber immer vor dutzenden Mitwissern. Eckpunkte: Schon im Februar 1933 im Kabinett die Wiederaufrüstung mit dem Krieg als Endzweck. Im November 1937 in mehrstündiger Rede vor hohen Wehrmachtsoffizieren den Plan für eine gewaltsame Expansion. Die riesige Militärparade zu seinem 50. Geburtstag im April 1939 war sozusagen der letzte Sachbeweis.

Finanziert wurde das zunächst auf Schulden (1937 war das Deutsche Reich praktisch pleite), dann durch Raub und Raubmord in ganz Europa (im neuen Profil History ist dieser Aspekt gut herausgearbeitet). Was vor 75 Jahren begann, war der bestvorbereitete Aggressionskrieg der Geschichte. Das und nichts anderes. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 20.8.2014)