Wien/Gumpoldskirchen - Das von der rot-grünen Wiener Stadtregierung angekündigte Verbot des kleinen Glücksspiels ab Jahresbeginn 2015 lässt die betroffenen Automatenbetreiber schäumen. Sie bereiten sich auf Schadenersatzklagen vor. Mehr als 100 Millionen Euro könnten sie vom Bund beziehungsweise der Stadt fordern. Das Ziel: Der Europäische Gerichtshof soll die gesamte Glücksspielregelung Österreichs kippen.

Das Wiener Automatenverbot ist politisch genauso heikel wie juristisch. SPÖ-intern war das Ansinnen lange Zeit umstritten, letztendlich setzten sich aber die jungen Rebellen der Sektion 8 gegen Bürgermeister Michael Häupl durch. Die Grünen wollten dem Zocken von Beginn an den Garaus machen, die Wirtschaftskammer ist dagegen. Mit dem Verbot der rund 1.500 Glücksspielgeräte in Spielhallen und Gasthäusern entgehen der Stadt im Jahr mehr als 50 Millionen Euro Einnahmen. Die Befürworter erhoffen sich, die Spielsucht damit einzudämmen; betroffen sind vielfach Menschen, die ohnehin über ein geringes Einkommen verfügen und in schlechten Gegenden wohnen - genau dort, wo sich straßenweise ein Spielsalon an den anderen reiht.

Rechtlich ist das Automatenspiel seit der Novellierung des Glücksspielgesetzes Sache des Bundes. Die bisherigen Genehmigungen für die Geräte, die bald illegal sein sollen, basieren aber noch auf Landesgesetzen. "Nicht wenige Konzessionen laufen erst 2019 oder 2020 aus", sagt Helmut Kafka vom Automatenverband. Schätzungsweise 100 seien überhaupt unbefristet.

Aufrechte Konzessionen

Die Frage ist nun, was mit den aufrechten Konzessionen geschieht. Die Stadt Wien hat zum Verbot kein eigenes Landesgesetz erlassen, sondern lässt einfach von der Verlängerung der bestehenden Regelung ab. Im Bundesglücksspielgesetz wiederum steht nicht explizit, dass die Landeskonzessionen ihre Gültigkeit verlieren. Es ist lediglich von einer "Übergangszeit" bis Ende 2014 beziehungsweise Ende 2015 (je nach Automatenzahl) die Rede. Genau da setzen die Automatenbetreiber an. "Enteignen geht nicht", sagt Kafka. Seiner Meinung nach muss entweder der Bund oder die Stadt Wien Schadenersatz leisten.

Damit die Betroffenen wissen, wen sie klagen müssen, wollen sie im September oder Oktober beginnen, Feststellungsbescheide beim zuständigen Wiener Magistrat zu beantragen. In diesen soll klar stehen, ob die Landeskonzessionen nun per 2015 ungültig werden oder nicht.

"Wenn die Gemeinde sagt, die Konzessionen sind ungültig, wird die Gemeinde schadenersatzpflichtig", so Kafka. Bleiben die Genehmigungen nach Rechtsmeinung des Magistrats jedoch aufrecht, müsse der Bund zahlen. Das für Glücksspiel zuständige Finanzministerium beziehungsweise die für Razzien in dem Bereich zuständige Finanzpolizei dürfe die Betreiber nicht daran hindern, mit gültigen Konzessionen ab dem Jahreswechsel weiterzuspielen. So oder so werde das "verpfuschte Glücksspielgesetz den Steuerzahler noch viel Geld kosten", ist Kafka überzeugt. Die Schadenersatzforderungen werden nach seiner Einschätzung 100 Millionen Euro übersteigen.

Gang zum EuGH

Die Betreiber, die nun ihre Anwälte in Stellung bringen, streben ausdrücklich den Gang zum Europäischen Gerichtshof an. Die Luxemburger Richter haben sich schon mehrfach mit der österreichischen Glücksspielgesetzgebung befasst und letztlich auch das Monopol der Casinos Austria zu Fall gebracht. Der "Vorteil" beim EuGH laut Kafka: Im Gegensatz zu Österreich müssten Kläger dort nicht nachweisen, dass der Staat grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt habe. "Da gilt nur: Schaden ja oder nein."

In den Augen Kafkas ist das Automatenverbot klar unionsrechtswidrig. Bis zu dem Thema endgültig Recht gesprochen ist, könnte es noch Jahre dauern. Allein das Wiener Magistrat hat sechs Monate Zeit, um die Feststellungsbescheide auszustellen. Ob mit Jahresbeginn dann gleich die Finanzpolizei in die Spielsalons ausrücken wird, ist daher unklar.

Eine Sonderstellung in Wien hat der niederösterreichische Novomatic-Konzern. Dieser verfügt über mehrere noch einige Jahre laufende Landeskonzessionen, eine davon für das Monte-Laa-Casino im Böhmischen Prater und eines für seine große Admiral-Spielhalle im Prater. Für letztere hat Novomatic nun eine der neuen Wiener Casinokonzession erhalten, darf den Prater-Standort also zu einer Vollspielbank ausbauen. Das Problem: Der nicht zum Zug gekommene Platzhirsch Casinos Austria hat Beschwerde eingelegt - und diese hat aufschiebende Wirkung.

Das Aktenkonvolut liegt derzeit beim Bundesverwaltungsgericht, es hat noch rund sechs Monate Zeit für eine Entscheidung. Grundsätzlich haben die Verwaltungsrichter die Möglichkeit, der Beschwerde stattzugeben, sie als unbegründet abzuweisen, sie zurückzuweisen (wenn zum Beispiel Fristen versäumt wurden) oder das Ganze an das Finanzministerium zurückzuverweisen. Beobachter halten es durchaus für möglich, dass Novomatic mit Jahresbeginn 2015 gänzlich ohne Genehmigungen in Wien dasteht.

Der Konzern hält sich zum künftigen Spielen in der Bundeshauptstadt bedeckt. Die Frage, ob auch Novomatic einen Feststellungsbescheid erwirken will und ob das rechtliche Vorgehen des Konzerns vom Erfolg der Beschwerde der Casinos Austria abhängt, wollte Unternehmenssprecher Hannes Reichmann nicht beantworten. Offenbar hofft der Konzern, dass das Glücksspielverbot in dieser Form nicht kommt: "Wir können und wollen derzeit Ihre Anfragen nicht konkret beantworten, da wir die rechtlichen, wirtschaftlichen und arbeitspolitischen Folgen eines politisch geäußerten Totalverbotes noch prüfen wollen", erklärt Reichmann in einem Statement.

Nach APA-Informationen hat sich Novomatic zum Wiener Verbot bereits ein Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer erstellen lassen. Reichmann äußert sich dazu nicht.

Scharfe Kritik an Vergabe

Mayer hatte bereits 2012 die Vergabe der Glücksspiellizenzen scharf kritisiert. Vor allem stieß er sich daran, dass die zwölf bestehenden Casinolizenzen, die am Ende wieder an die Casinos Austria gingen, nicht einzeln, sondern paketweise ausgeschrieben wurden.

In Novomatics Heimatbundesland Niederösterreich laufen die alten Landeskonzessionen weiter. "Eine pragmatische Lösung", finden Branchenvertreter. Niederösterreich will das Automatenspiel im Gegensatz zu Wien nicht abschaffen. Vor zwei Jahren hat das Land - auf Basis des neuen Glücksspielgesetzes - bis zu drei neue Konzessionen ausgeschrieben. Zum Zug kam allerdings nur Novomatic. Die alten Konkurrenten, zwei kleinere Betreiber aus dem Raum Wiener Neustadt beziehungsweise Baden, dürfen weiterspielen, bis ihre Genehmigungen auslaufen.

In Wien nimmt die Politik die drohende Klagewelle gelassen. Die Stadt verzichte aus gutem Grund auf einarmige Banditen, die an jeder Ecken stünden, sagt der grüne Klubobmann David Ellensohn. Die Spielsucht verursache großes Leid in Familien, die Folgekosten für die öffentliche Hand durch Schuldnerberatungen, Privatkonkurs oder Beschaffungskriminalität seien enorm. Und: Erwachsene, die kein Spielsuchtproblem hätten, könnten in Wien weiterhin ins Casino gehen.

Die Bundeshauptstadt bekommt, zusätzlich zum bestehenden Standort der Casinos Austria in der Kärntner Straße, zwei neue Spielbanken. Die nicht rechtskräftigen Lizenzen gingen an Novomatic (Prater) sowie an ein deutsch-schweizerisches Konsortium, das das Palais Schwarzenberg in einen Spieltempel verwandeln will. In jedem Casino dürfen neben Roulettetischen und Co auch 350 Glücksspielautomaten stehen. (APA, 20.8.2014)