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Gegen Kontakte: Schauspieler Daniel Olbrychski.

Foto: EPA/GRZEGORZ MICHALOWSKI

Polen hat für 2015 einen Kulturboykott Russlands ausgerufen. Auch russische Kulturveranstaltungen in Polen sollen so weit wie möglich abgesagt werden. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Regierung in Warschau sei der Abschuss des Passagierflugzeugs MH17, erklärte Polens Regierungssprecherin Malgorzata Kidawa-Blonska.

Der Boykott trifft insbesondere Künstler, die sich seit gut zwei Jahren auf die für 2015 zunächst geplanten rund 90 prestigeträchtigen Konzerte, Ausstellungen, Theateraufführungen und hunderten kleineren Autorenlesungen, Happenings, Liederfestivals und Diskussionen vorbereitet hatten.

Für Polens Außenminister Radoslaw Sikorski ist der Schritt konsequent: "Im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen für die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine müssen wir die Pläne für ein ,Polnisches Jahr' in Russland und ein ,Russisches Jahr' in Polen aufschieben. Und dies für lange Zeit", erklärte er. Es gebe zurzeit keine gute Atmosphäre für einen Kulturdialog, setzte die Regierungssprecherin hinzu. In den vergangenen Wochen hätten polnische Künstler schon mehrfach Zweifel am Sinn eines Kulturjahres in Russland ausgerechnet 2015 geäußert.

Bücher und Dramen

Zwar hatte Polens Ex-Kulturminister Bogdan Zdrojewski, der inzwischen Abgeordneter im Europäischen Parlament ist, bereits zuvor angekündigt, dass trotz der Absagen, die nun hunderten Künstlern und dutzenden Kulturinstitutionen zugehen, einige polnisch-russische Projekte dennoch zu Ende geführt werden müssten.

"Dabei handelt es sich vor allem um Übersetzungen und bereits gedruckte Bücher wie die Dramen von Tadeusz Rózewicz", erläuterte allerdings Kidawa-Blonska. "Alle geplanten Veranstaltungen mit Beteiligung des polnischen Staates fallen aus." Ziel war es eigentlich, die Kontakte zu den Kulturszenen in Moskau, Sankt Petersburg, Jekaterinburg, Irkutsk, Krasnojarsk und Omsk auszubauen.

Während die meisten polnischen Künstler den Schritt der Regierung in Warschau gutheißen, kritisiert der bekannte Regisseur Krzysztof Zanussi den Boykott aufs Schärfste. Zanussi pflegt seit Jahren engen Kontakt zur russischen Kunstszene. "Auch wenn ich das, was Russland zurzeit in der Ukraine tut, zutiefst ablehne", so Zanussi, "bin ich doch dafür, das ,Polnische Jahr' in Russland durchzuführen - allerdings ohne Staatsbeteiligung, allein als Künstlerbegegnung."

Für den Schauspieler Daniel Olbrychski, der immer wieder an Film- und Theaterproduktionen in Russland beteiligt ist und dort einen guten Ruf genießt, ist eine polnisch-russische Künstlerbegegnung zum derzeitigen Zeitpunkt sinnlos: "Die meisten russischen Künstler unterstützen doch Putins Aktivitäten in der Ukraine", bedauert der Schauspieler.

Der Kreml will trotz der Absage aus Warschau am "Russischen Jahr" in Polen 2015 festhalten. "Polen hat eine negative Entscheidung getroffen, die ich nicht kommentieren werde", so Alexander Lukaschewitsch, der Sprecher des Außenministeriums in Moskau. Für Russland seien die Kulturkontakte zwischen Polen und Russland weiterhin wichtig. "Wir werden daher an der Organisation traditioneller Veranstaltungen, Festivals, Ausstellungen und anderer Projekte festhalten, die sich beim polnischen Publikum eines großen Zuspruchs erfreuen", kündigte Lukaschewitsch an.

Kritik aus Russland

Russische Journalisten kritisieren die Absage des "Polnischen Jahres" in Russland 2015 durch die Regierung in Warschau scharf. Leiden würde darunter nicht das politische Establishment in Moskau, sondern die Künstler und deren Publikum, denen die polnisch-russischen Kulturbeziehungen am Herzen lägen.

Der Entscheidung Warschaus zum Kulturboykott Russlands für das Jahr 2015 ging vor einigen Wochen bereits die Absage des Polnischen Instituts in Moskau voraus, sich weiterhin an der Organisation des Internationalen Festival des Buches zu beteiligen. Polen prangerte damals die allgegenwärtige russische Zensur an, die keinen freien Gedankenaustausch mehr zulasse - auch nicht in der Literatur. Polen verzichtete daher im Namen der Rede- und Gedankenfreiheit auf eine Teilnahme. (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, 21.8.2014)