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In Bosnien-Herzegowina wurden 89.000 Häuser durch die Überschwemmungen beschädigt. Mit Hilfsgeldern von Nachbar in Not werden 470 Familien unterstützt.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Kleider, Spielzeug, ein Sofa sind auf der Veranda gestapelt. Die Familie Halilovic hatte im letzten Moment versucht, ein paar Sachen aus dem Haus zu retten, als das Wasser wieder stieg. Bereits im Mai wurden sie überschwemmt. Und nun wieder Anfang August. In welches Dorf man auch immer fährt in Bosnien-Herzegowina, die Menschen sagen immer dasselbe: Sie würden vergeblich auf Hilfe warten, die Behörden würden versagen.

Kein Heu für Milchkühe

Dabei sind die ökonomischen Auswirkungen der Fluten enorm, im Großen wie im Kleinen. Die Familie Halilovic etwa lebt von vier Milchkühen, von denen sie eine von der Hilfsorganisation Care bekommen hat. Mutter Mirsada Halilovic verdient damit 200 Bosnische Mark, also 100 Euro im Monat. Das muss für die vierköpfige Familie der 36-Jährigen reichen. Und tut es normalerweise auch. Nur dieses Jahr nicht. Auch das Heu wurde überflutet und faulig und kann nicht mehr verfüttert werden.

Der Mramorski Potok, ein Bach, der durch das Dorf in der Nähe der Stadt Tuzla geht, ist über die Ufer getreten und hat auch das kleine Haus mit der pinken Fassade und den Pfeilern erreicht. Die Wände sind noch immer nass. Es muffelt fürchterlich. Wenn die beiden Töchter im September wieder in die Schule gehen, dann muss die Familie, die zurzeit bei Bekannten lebt, auch wieder in das Haus ziehen. "Und dann wissen wir nicht, wie wir über den Winter kommen sollen", sagt Mirsada Halilovic. "Kein einziger Erdapfel ist uns nach den Fluten geblieben."

Die Familie Halilovic ist eine Roma-Familie - es könnte auch irgendeine andere Familie sein. Aber gerade Roma-Familien leben vielerorts an Plätzen außerhalb von Dörfern, die besonders der Willkür ausgesetzt sind. Der Willkür des Wetters und der Willkür der Behörden.

Sozialkredite für Roma

Im Juli bekam Bosnien-Herzegowina bei einer internationalen Geberkonferenz 800 Millionen Euro für die Opfer der Fluthilfe. Doch noch ist nicht klar, wie das Geld verteilt wird, weil die Internationale Gemeinschaft Zweifel hegt, ob das Geld im undurchsichtigen Geflecht der bosnischen Institutionen bei den Hilfsbedürftigen ankommt. Offiziellen bosnischen Schätzungen zufolge betrug der Schaden der Fluten allein im Mai zwei Milliarden Euro.

Roma-Organisationen wie jene "Für eine bessere Zukunft" in Tuzla engagieren sich für die Flutopfer. Erfolgreich sei etwa das Programm, bei dem Frauen Kühe, Schafe oder Hühner gegeben werden, mit denen sie eine Landwirtschaft starten können. 20 Prozent dieser Sozialkredite müssen refundiert werden, etwa indem sie Nachbarn Milch oder Eier geben.

Schulabbrüche gestiegen

Die Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, fördert die Inklusion der Roma in Südosteuropa mit knapp 800.000 Euro. Melina Halilovic von der Roma-NGO "Sei mein Freund" in Visoko erzählt, dass insbesondere Mädchen oft nicht in die Schule geschickt werden. Die Schulabbrüche seien seit der Wirtschaftskrise gestiegen, weil viele Roma ab April bis Oktober in EU-Europa Geld verdienen und erst nach Schulbeginn wieder nach Bosnien zurückkehren.

Dann sind die Kinder aus dem System draußen. Falls sie jemals drin waren. Das Gesetz, wonach jedes Kind die Grundschule beenden muss, wird nicht umgesetzt. (Adelheid Wölfl aus Tuzla, DER STANDARD, 22.8.2014)