Fragen zur geplanten Steuerreform waren Michael Spindelegger (ÖVP) beim "Sommerevent" der ÖVP an der österreichisch-ungarischen Grenze am Donnerstag sichtlich lästig. Mit einer kleinen Delegation ist der Vizekanzler in das historisch aufgeladene Gebiet zwischen St. Margarethen und Sopron gereist, um der Grenzöffnung vor 25 Jahren zu gedenken und die Volkspartei bei Schmalzbrot und Wein als Europapartei zu promoten. Dafür schoss Landtagsabgeordneter Lukas Mandl gleich ein Selfie mit Spindelegger und EU-Mandatar Othmar Karas – vor den Resten des Eisernen Vorhangs.

Foto: Lisa Breit

Ein klares Nein, wie es die ÖVP-Spitze vorgibt, kommt Josef Pühringer nicht über die Lippen. "Ich bin nicht der Verteidiger der Multimillionäre", beantwortet Oberösterreichs Landeshauptmann die im Ö1-Interview mehrfach gestellte Frage, ob für ihn eine Millionärssteuer denkbar sei. Der Mittelstand dürfe aber keinesfalls geschröpft werden, fügt Pühringer an, und dabei sieht er den Haken. Eine Steuer, die nur Millionäre treffe, bringe vielleicht 200 bis 300 Millionen. Wenn die SPÖ von mehr spreche, solle sie endlich Zahlen auf den Tisch legen.

Umstrittene Rechnungen

An sich hat das die Kanzlerpartei schon ein paar Mal getan. In einer groben Rechnung zog sie von jenen 470 Milliarden Euro, die das reichste Prozent der Haushalte laut Schätzung der Uni Linz besitzt, den Freibetrag von jeweils einer Million ab, legte einen Steuersatz von 0,5 Prozent an und kam so auf zwei Milliarden. Außerdem verweist die SPÖ auf eine Rechnung, die Experten des Finanzministeriums bei den Koalitionsverhandlungen angestellt haben sollen: Daraus ergibt sich ein Erlös von bis zu 1,5 Milliarden, um im Gegenzug die Lohn- und Einkommenssteuer zu senken.

Die ÖVP traut diesen Zahlen freilich nicht. Unumstrittene Berechnungen soll die seit Mitte Juni arbeitende Steuerreformkommission liefern, doch die wandte sich erst einmal weniger heiklen Fragen zu. Vereinbart wurde eine Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent, die bis zu 4,5 Milliarden kostet, überdies fahndeten die rot-schwarzen Experten nach Ausnahmen, die bei Umsatz- und Einkommenssteuer gestrichen werden könnten. Nächstes Thema ist die Steuerförderung für Familien, vornehmlich in Form von Absetzbeträgen.

Höhere Kapitalertragssteuer

Die Schlüsselfrage - die Finanzierung der Steuersenkung - stand dem Vernehmen nach hingegen noch nicht auf der Agenda. Abgesehen von der Vermögenssteuer geistert da auch die Idee herum, die Kapitalertragssteuer (Kest) von 25 auf 30 Prozent zu erhöhen. Öffentlich ventiliert hat den Vorschlag Nationalbankpräsident Claus Raidl, der in einer Kombination aus höherer Kest und Grundsteuer den Kompromiss im koalitionären Steuerstreit sieht. Die SPÖ würde dies allerdings in Argumentationsnotstand bringen: Zwar liegt laut einer Studie der Nationalbank auf nur fünf Prozent der Konten fast die Hälfte der Spareinlagen, doch von einer allgemeinen Anhebung wären alle Sparbücher betroffen - und die Sozialdemokraten haben stets versichert, eben nicht den kleinen Sparer oder Häuslbauer zur Kasse bitten zu wollen.

Dass eine Beschränkung der Vermögenssteuerpläne auf die Reichen vernachlässigbare Einnahmen zur Folge hätte, glauben nicht nur ÖVP-Politiker. Ein "Problem der fiskalischen Mengenlehre" sieht Hannes Androsch. Es käme schlicht zu wenig in die Staatskasse, sagte der Industrielle und sozialdemokratische Ex-Finanzminister bei den Technologiegesprächen in Alpbach. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ergänzte: Viel zu gering seien die erwartbaren Erlöse, um dafür einen Streit anzufangen.

ÖVP-Chef wehrt sich gegen Kritik

Michael Spindelegger wird das gerne hören. Der ÖVP-Chef und Vizekanzler ging in Sachen Steuern auf den Abweichler Pühringer nicht direkt ein, sondern wiederholte nur sein Credo von einer "echten" Steuerentlastung, ohne Erhöhungen im Gegenzug. Deutlicher fiel hingegen die Replik auf jene Kritik aus, die der oberösterreichische Landeshauptmann im STANDARD ("Die ÖVP muss sich am Riemen reißen") und dessen Tiroler Amtskollege Günther Platter in News ("Wir brauchen wieder mehr Profil") geäußert hatten. Spindelegger ungerührt: "Jeder soll vor seiner Tür kehren." (Gerald John, DER STANDARD, 22.8.2014)