Wien - Im Gerichtsstreit zwischen dem Burgtheater und seinem ehemaligen künstlerischen Chef Matthias Hartmann wird die finanzielle Lage des Hauses eine tragende Rolle spielen. Hartmann beteuert ja, dass man bei seinem Amtsantritt das Haus ihm gegenüber als finanziell gesund dargestellt habe.

Tatsächlich waren die angeschlagenen Finanzen bereits vor Hartmanns Beginn 2009 das zentrale Thema im Aufsichtsrat der Burgtheater GmbH. Die Sitzung vom 13. Juni 2008 etwa stand ganz im Zeichen der damals gerade laufenden "Evaluierung" des Bundestheaterkonzerns und des Budgets fürs nächste Geschäftsjahr.

Angeregt diskutiert wurde der Bericht von Burg-Aufsichtsratschef Georg Springer, dem damaligen Chef der Bundestheaterholding, über den Stand der Evaluierung, durch die der Mindestfinanzbedarf des Theaterkonzerns eruiert werden sollte. Bei der neuen Mittelberechnung könne man "keine ausgeglichenen Gewinn- und Verlustrechnungen mehr zustande bringen", kritisierte Springer laut Tonbandmitschnitt der Sitzung, der dem STANDARD vorliegt. So bringe man "alle Geschäftsführer in die Situation von Bankrotteuren", so mache man aus der "Erfolgsgeschichte der Ausgliederung der Bundestheater ein kleines wirtschaftliches Desaster".

Skeptisch reagierten auch die Aufsichtsratsmitglieder. "Wenn der Eigentümer wünscht, dass wir negative Haushalte beschließen, soll er das per Weisung klarstellen und dann auch die Verantwortung übernehmen", meinte etwa Aufsichtsratsvizepräsident Peter Radel mit Hinweis auf die gesetzliche Haftung des Aufsichtsrats.

Was den finanziellen Auftritt des eigenen Hauses betraf, diskutierte man wesentlich unaufgeregter. Der kaufmännische Chef, Thomas Drozda, überließ den Tagesordnungspunkt "Unternehmensbudget" seiner Nachfolgerin Silvia Stantejsky - und verabschiedete sich in Richtung Vereinigte Bühnen Wien. Die Nachrichten waren aber schlechte: "Auch unter Berücksichtigung von Rücklagenauflösungen" liege das Jahresbudget für 2008/09 im Verlustbereich - mit 4,41 Millionen Euro.

"Wie gehen wir mit diesem Budget um, gibt es alternative Möglichkeiten?" , wollte Springer von seinen Kollegen im Gremium wissen. Radel hatte die rettende Idee. Man solle das negative Budget doch einfach mit einem "bedingten Beschluss" absegnen - also mit dem "Vorbehalt, dass die Bedeckung gesichert sein wird".

Springer gefiel das: "Diese Lösung hat nicht nur gewisse Élégance, sondern sie macht auch Sinn, weil so auch der Bedarf (offener Finanzbedarf der Burg, Anm.) dokumentiert wird." Dass die Holding das Loch stopfen kann, schloss er schon damals aus. Bis zur nächsten Sitzung im Oktober müsse es eben "ein ausgeglichenes Budget geben, wer auch immer es finanziert". Springer, recht locker (und im schriftlichen Protokoll nicht nachzulesen): "Verdammt nochmal, so hoch ist das ja gar nicht ... Für einen Teil der Bedeckung muss die Holding aus den fünf Millionen sorgen, der Rest muss vom Himmel fallen ... Die 4,4 Millionen Euro müssen verschwinden - wie, ist dem Aufsichtsrat wurscht."

"Bravourös gemeistert"

Tatsächlich hat Stantejsky dann am 31. Oktober ein ausgeglichenes Planbudget 2008/09 vorgelegt, der Aufsichtsrat hat Selbiges einstimmig genehmigt. Die Budgets für die zwei Jahre darauf wurden nicht beschlossen, dagegen legte der Aufsichtsrat sein Veto ein. Details, wie die 4,4 Millionen Euro genau verschwunden sind, lassen sich aus dem Protokoll nicht eruieren. Nachfragen der Aufsichtsräte laut Schriftprotokoll: keine. Nur so viel: Springer dankte Stantejsky, die "die Erstellung des Budgets bravourös gemeistert" habe.

Erst aus den Erläuterungen zur Bilanz 2008/09 erschließen sich Details der Reparatur. Der Wert der Produktionen und Eigenleitungen in der Bilanz wurde noch weiter in die Höhe geschraubt, deren Abschreibungsdauer auf bis zu fünf Jahre erhöht. All das ist nun Thema im Strafverfahren. Und: Um auf die Null im Ergebnis zu kommen, wurden, "wie im Rahmen der Evaluierung gefordert", 2,5 Millionen Euro an Kapitalrücklagen aufgelöst. (Renate Graber, DER STANDARD, 22.8.2014)