Kein diplomatisches Blatt vor dem Mund nahm sich am Mittwoch der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), als er Katar direkt der Finanzierung des "Islamischen Staats" bezichtigte. Damit schlug er in die Kerbe des nunmehrigen irakischen Übergangspremiers Nuri al-Maliki, der wiederholt nicht nur das kleine Emirat, sondern auch Saudi-Arabien als Geldgeber der extremistischen sunnitischen Jihadisten benannte.

Dieser Zusammenhang wird immer wieder hergestellt: Er ist eine Vereinfachung, die jedoch faktische Ursachen hat. Unleugbar ist Al-Kaida, aus der ja auch die IS ursprünglich kommt, eine ideologische Perversion des auf der arabischen Seite des Persischen Golfs heimischen salafistischen Islams, der die Welt in eine monotheistische – also die eigene – und den Rest einteilt (auch wenn nach saudischer Lesart die Ideologie der Muslimbruderschaft für die Radikalisierung der Salafiya verantwortlich ist). Mit dem Versprechen, den Monotheismus durchzusetzen – auch wenn das den Kampf gegen Schiiten, Christen und andere Religionen bedeutet –, lässt sich gut private oder semiprivate Unterstützung lukrieren: Wenn schon nicht staatlich gefördert, wurde und werden die undurchsichtigen Spendenpraktiken der religiösen Stiftungen geduldet, in Katar etwa durch eine lasche Gesetzgebung.

Dazu kommt die Rolle Katars und Saudi-Arabiens im Syrien-Konflikt. Beide – wenngleich untereinander zerstritten – unterstützen die syrische Opposition, beide beteuern, dass ihre Unterstützung nur moderaten Gruppen zugutekommt. Die syrischen sunnitischen Stammesführer, die jetzt die Exil-Opposition dominieren, haben beste Beziehungen zu Riad (ihr aktueller Chef, Hadi al-Bahra, lebt in Jiddah). Die ideologischen Grenzen zwischen jenen Islamisten, die nur das Assad-Regime stürzen und ein neues System – kaum eine liberale Demokratie – errichten wollen, und den Jihadisten mit ihrem grenzüberschreitendem Projekt sind jedoch fließend. Und Unterstützung kommt, auch wenn sie anderen zugedacht war, am Ende oft den Erfolgreichsten zugute: Die IS erfreut sich starken Zulaufs aus anderen Rebellengruppen.

Die ausgegrenzten Sunniten

Im Irak hat Saudi-Arabien eine enge Beziehung zu den Sunniten aufgebaut, die Maliki systematisch ausgegrenzt hat, und natürlich fließt dorthin auch finanzielle Unterstützung. Manche dieser Sunniten – nicht alle – sind heute aufseiten der IS. Zwischen IS und den arabischen Golfstaaten-Regierungen gibt es aber keine Sympathie: Wie Al-Kaida unter dem saudischen Dissidenten Osama Bin Laden, so betrachtet auch die IS die Herrscher am Golf als westliche Marionetten, die vom Islam abgefallen sind.

Gerade Saudi-Arabien fährt seit Monaten eine groß angelegte Kampagne gegen Extremismus. Mit Transparenten, oder in Freitagspredigten, wird für einen konservativen, aber unpolitischen Islam geworben. König Abdullah hat per Dekret hohe Haftstrafen für saudi-arabische Bürger, die sich einem Jihad im Ausland anschließen, eingeführt. Es gibt bereits Verurteilungen.

Saudi-Arabien leidet unter der Tatsache, jahrzehntelang seinen Wahhabismus – das ist die lokale Variante des salafistischen Islams – exportiert zu haben. Das begann so richtig nach 1979, nach der islamischen Revolution im Iran – Ayatollah Khomeini war sehr antisaudisch – und der Besetzung der Großen Moschee in Mekka durch eine radikale Gruppe. Parallel zur "Reislamisierung" Saudi-Arabiens trat das Königreich als Islamexporteur in Konkurrenz zum Revolutionsexporteur Iran. Zur großen Radikalisierungswelle kam es in den 1980er-Jahren beim Kampf gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans. Geld, Know-how und Waffen kamen aber nicht nur von den Saudis – sondern auch von der CIA. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 22.8.2014)