Dass Österreich nicht Weltmeister bei den Familienleistungen ist, dürfte sich langsam herumsprechen: Die OECD führt uns auf Platz 14, für das zweitreichste Land in der EU nicht wirklich ein Spitzenplatz: Direktzahlungen (noch) sehr gut, Infrastruktur mittel, steuerliche Berücksichtigung: nicht existent. Sehr erfreulich, dass im Koalitionsübereinkommen vereinbart wurde, bei der Steuerreform diesmal auch die Sorgepflichten der Eltern zu berücksichtigen.

Wer die Inflation nicht ersetzt bekommt, erleidet eine reale Kürzung. Was manche Pensionisten in einzelnen Jahren unter Protest ertragen haben, war für Familien der "Normalfall“. Während bisher der "überschuldete“ Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) zur Begründung für die fehlende Wertanpassung herhalten musste, – bei anderen gesellschaftlichen Gruppen schaut man nicht so genau auf Defizite und Finanzierung – verkündet die Familienministerin als neuen Leitsatz der Familienpolitik: Direktzahlungen an Familien seien unmodern; andere Länder hätten diese nicht im gleichen Umfang und eine höhere Geburtenrate.

Eigenartige Logik

Andere Länder, andere Sitten, möchte man da entgegnen, den Familien weniger als finanziellen Ausgleich zu zahlen soll die Geburtenrate steigern? Welche Logik soll das sein? Das, obwohl – hervorgerufen durch deutliche Leistungskürzungen – der FLAF nun langsam entschuldet wird und daher Spielraum – nein, nicht für Erhöhungen sondern für teilweise Wertanapassungen von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld vorhanden ist.

Niemand hat etwas gegen den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, im Gegenteil; natürlich müssen ausreichend Betreuungsplätze vorhanden sein. Das Angebot an Betreuungsplätzen ist in den letzten Jahren gestiegen – regional und qualitätsmäßig sehr unterschiedlich. Der weitere Ausbau sollte selbstverständlich sein, niemand hindert die dafür zuständigen Länder und Gemeinden daran.

Wieso dieser weitere Ausbau von Betreuungsplätzen zulasten der Direktzahlung gehen soll wie es die Familienministerin unter Beifall mancher Sozialpartner gefordert hat, bleibt völlig unklar und bedeutet, dass sich die Eltern den Ausbau selber zahlen. Genauso könnte man fordern, dass Kranke für die Errichtung von Spitälern oder Pensionisten für den Bau von Senioren– und Pflegeheimen bezahlen sollen.

Gerechtigkeit herstellen

Die Familienbeihilfe wurden eingeführt, weil die Gesellschaft wusste, dass Kinder zu bekommen und sie ins Leben zu begleiten eine schöne und verantwortungsvolle Aufgabe ist, die auch finanziell eine Herausforderung darstellt. Es gibt sie, um die finanziellen "Lasten“ der Eltern, die aktuell für Kinder zu sorgen haben, ein Stück weit auszugleichen und damit Gerechtigkeit zu verwirklichen; und nicht als Anreiz für mehr Kinder.

Bezahlt wird sie, basierend auf einer eine Sozialpartnereinigung, bei der die Arbeitnehmer zugunsten der Familien auf eine Gehaltserhöhung verzichteten (!), seit den 50er-Jahren aus dem Familienlastenausgleichsfonds.

Es bleibt der Verdacht, dass es den Sozialpartnern und manchen Politikerinnen weniger um Gerechtigkeit und Wahlfreiheit für die Menschen, die sich für Partnerschaft und Kinder entscheiden, geht, sondern um ganz etwas anderes: Wie hole ich Frauen aus der Karenz möglichst schnell in den (Vollzeit)Erwerb zurück?

Aussagen wie: keine Wertanpassung der Direktzahlungen, "Umbau“ des Kinderbetreuungsgeldes, Einschränkung der Elternteilzeit, Verringerung der Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds deuten eindeutig darauf hin.

Familienpolitik ist etwas anderes

Hier wird unter dem Deckmantel der Familienpolitik primär Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Frauenpolitik betrieben. Familienpolitik ist etwas anderes: Familienpolitik ist Gestaltung von Familienleben! Dass sich bei einer so unverlässlichen Politik Eltern für weniger Kinder entscheiden, ist leicht nachvollziehbar.

Die These, wonach Kinderbetreuungsplätze für ein- bis zweijährige zu einer höheren Geburtenrate führen, wird in Wien klar widerlegt: Wien hat die Anzahl der Krippenplätze massiv ausgebaut, das Barcelonaziel hinsichtlich der Betreuungsquote erreicht und dennoch eine unterdurchschnittliche Geburtenrate. Die Erhöhung der Betreuungsplätze ist zumindest in Österreich sohin nicht der Weisheit letzter Schluss für die Anhebung der Geburtenrate.

Sollte es wirklich nur die Sorge nach ausreichenden Geburten sein? Wahlfreiheit ist der einzig richtige Ansatz: Eltern, die bald nach der Geburt eines Kindes in den Erwerb zurück wollen, müssen das können. Wer die ersten Jahre seinen Kindern widmen will, soll das auch können, indem Betreuungszeiten ausreichend für die Pension und bei den Biennalsprüngen in den Kollektivverträgen angerechnet werden.

Und die regelmäßige Wertanpassung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld ist schlicht eine Frage der Gerechtigkeit. Ziel einer freien Gesellschaft darf es nicht sein, anderen vorschreiben zu wollen, wie viele Kinder sie bekommen sollen und wie sie diese zu betreuen haben. (Alfred Trendl, derStandard.at, 22.8.2014)