Bagdad - Der Angriff auf eine Moschee mit Dutzenden Toten erschwert die Regierungsbildung im krisengeschüttelten Irak. Die Nachrichtenseite Al-Sumaria News berichtete, die Partei des sunnitischen Parlamentspräsidenten Salim al-Jaburi habe sich aus Protest gegen die Attacke aus den Verhandlungen zurückgezogen.
Eine neue Regierung gilt als Voraussetzung, um den Vormarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in dem Land stoppen zu können.
Mindestens 73 Tote
Bei dem Angriff von vermutlich schiitischen Bewaffneten auf eine sunnitische Moschee nordöstlich von Bagdad waren am Freitag mindestens 73 Menschen ums Leben gekommen. Augenzeugen berichteten, die Angreifer hätten das Gebetshaus in der Stadt Al-Mikdadiya gestürmt und um sich geschossen. Laut Nachrichtensender Al-Arabiya waren die Täter schiitische Milizionäre. Das Staatsfernsehen hingegen berichtete, der IS stecke hinter der Tat. Der Sender berief sich auf Sicherheitskreise in der Stadt Bakuba. Die Terrorgruppe verfolge mit dem Angriff "sektiererische Ziele", hieß es.
27 Tote nach Racheakten
Einen Tag nach dem Anschlag ist es offenbar zu zwei Racheakten gekommen. Dabei töteten zwei Selbstmordattentäter in Bagdad sowie in der Nähe der Stadt Tikrit am Samstag insgesamt 17 Menschen. Wie Polizei und Rettungskräfte mitteilten, kamen in der Hauptstadt mindestens acht Personen ums Leben, als der Attentäter mit einem Fahrzeug in ein Geheimdienstgebäude raste.
Der zweite Täter benutzte einen Militärgeländewagen des US-Typs Humvee, der mit Sprengstoff beladen war. Ziel war eine Gruppe von Soldaten und schiitischen Milizionären. Bei dem Anschlag kamen neun Menschen ums Leben.
Ban Ki-moon tief besorgt
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte die Attacke vom Freitag. "Der Generalsekretär ist tief besorgt über die Auswirkungen solcher religiöser Gewalt auf die ohnehin schwierige Sicherheitslage", teilte ein Sprecher mit. Auch die US-Regierung verurteilte den Anschlag scharf. Die "abscheuliche" Attacke unterstreiche erneut, wie dringend Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum das Land im Kampf gegen "gewalttätige extremistische Gruppen" vereinen müssten, erklärte das US-Außenministerium am Freitag.
In einem Telefongespräch von US-Außenminister John Kerry mit seinem irakischen Kollegen Hoshyar Zebari betonten ebenfalls beide Politiker, wie wichtig es sei, bei der Bildung einer neuen Regierung "schnell voranzukommen", wie das Ministerium mitteilte.
Der designierte irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi rief seine Landsleute zum Zusammenhalt auf, damit die Feinde des Landes keine Chance hätten, einen Bürgerkrieg auszulösen.
IS nutzte Machtvakuum aus
Iraks Präsident Fouad Masoum hatte den Schiiten Al-Abadi vor rund zwei Wochen mit der Regierungsbildung beauftragt. Sein Vorgänger Nuri al-Maliki galt als Hemmnis, Schiiten, Sunniten und Kurden miteinander zu versöhnen. Diese hatten seit der Parlamentswahl im April um die Besetzung des Amtes des Regierungschefs gestritten.
IS-Milizen hatten - mit Unterstützung sunnitischer Stämme - dieses Machtvakuum ausgenutzt. Nach ihrem Vormarsch in Syrien brachten sie auch große Teile des Iraks unter ihre Kontrolle. Dabei gingen die Extremisten äußerst brutal vor. Die USA hatten Anfang August im Nordirak mit Luftangriffen auf die Terrorgruppe begonnen, nachdem die Miliz immer näher an die kurdischen Autonomiegebiete herangerückt war.
Die Ermordung des US-Journalisten James Foley durch IS-Mitglieder in Syrien bezeichnete die Regierung in Washington nun als "Angriff auf unser Land". Die USA schließen inzwischen Luftangriffe auf IS-Stellungen auch in Syrien nicht mehr aus. "Wenn Ihr Amerikaner angreift, greifen wir Euch an, wo immer Ihr Euch befindet", sagte Ben Rhodes, stellvertretender nationaler Sicherheitsberater, am Freitag. Foley war Anfang der Woche von den Extremisten enthauptet worden.
Die deutsche "Bild"-Zeitung (Samstag) berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, den IS-Extremisten hätten sich inzwischen rund 2600 junge Muslime aus ganz Europa angeschlossen. Insgesamt habe die Gruppe rund 20.000 "überwiegend gut ausgebildete Kämpfer unter Waffen", zitierte die Zeitung aus einem vertraulichen Lagebild der Sicherheitsbehörden. (APA, 23.8.2014)