Wien - Sämtliche ranghohe Militärs des Landes rüttelte Freitagfrüh ein Oberleutnant der Reserve wach: Via Ö1-Morgenjournal forderte Michael Spindelegger (ÖVP), derzeit Finanzminister im Zivilberuf, wortreich ein, dass das Bundesheer "nicht ausgehungert werden" dürfe - und dazu gleich den Verteidigungsminister auf, doch bis Herbst endlich seine Reformpläne vorzulegen.

Mehr hat es nicht gebraucht. Denn allein in den letzten zehn Jahren haben Spindelegger und seine schwarzen Vorgänger dem finanzmaroden Heer zwei Milliarden an Einsparungen zugemutet - was einem Jahresbudget für das Ressort entspricht.

Breite Empörung

Vom "fassungslosen" Generalstabschef Othmar Commenda abwärts ("dem Heer fehlen nicht Konzepte, sondern Geld") machen seitdem auch Kommandanten ihrem Ärger über den prominenten Milizionär Luft, der ihnen trotz anstehender Wehrdienstreform erst im Frühjahr weitere 80 Millionen Euro für 2014 und 2015 abgetrotzt hat.

Franz Reißner, Kommandant der Streitkräfte, zum STANDARD: "Es geht eine Empörung durch das gesamte Bundesheer - noch dazu, wo unsere Situation auch darauf zurückgeht, dass Minister aus der gleichen Partei wie der Finanzminister arge Fehlentscheidungen getroffen haben." Reißner meint damit etwa die Beschaffung der Raketenjagdpanzer Jaguar oder die große Stückzahl an M109-Panzerhaubitzen in den Neunzigerjahren, als es keine direkte Bedrohung durch organisierte militärische Kräfte anderer Staaten oder Bündnisse mehr gab. Das habe damals verhindert, dass zum Beispiel die KFZ-Flotte erneuert werden konnte - "und damit ist auch Geld unter ÖVP-Ministern in den Sand gesetzt worden".

Blanker Zynismus

Dazu musste erst unlängst die Luftraumüberwachung durch die Eurofighter eingeschränkt werden, und auch die Hubschrauberflotte wartet bis 2016 auf ihren nötigen Modernisierungsschub.

Ähnlich empört über Spindeleggers Ermahnungen ist daher auch Günter Höfler. Der Leiter der österreichischen Militärvertretung bei EU und Nato in Brüssel, als vormaliger Kommandant der Streitkräfte für Auslandseinsätze zuständig, erklärt im STANDARD-Gespräch: "Wir laufen Gefahr, dass wir unseren angemessenen Beitrag zum Krisenmanagement in Europa nicht mehr in der nötigen Qualität leisten können." Österreich werde "zu einem unverlässlichen Partner, wenn wir unsere Soldaten nicht entsprechend ausbilden". Die Republik habe mit 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts das niedrigste Verteidigungsbudget in der Union - "nur Malta gibt noch weniger aus". Die bisher wichtigsten Partner wie Schweden oder Finnland seien hingegen gerade dabei, ihre Anstrengungen zur gemeinsamen Sicherheit zu erhöhen. Höflers Replik auf Spindeleggers Vorhaltungen: "Das ist nur noch der reine Zynismus. Es hat den Anschein, als sei man an der Spitze des Staates nicht ernsthaft an einem Heer interessiert, das funktioniert."

Koalitionäres Gefecht

Der Verteidigungsminister schoss schon via Ö1-Mittagsjournal zurück: Gerald Klug (SPÖ) erinnerte Spindelegger daran, dass die Eurofighter, "die wir der ÖVP zu verdanken haben", das Budget "enorm belasten". Danach griff auch Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) ins Gefecht ein, weil: "Die Sorgen des Finanzministers" seien "ja mehr als berechtigt". (Thomas Mayer, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 23.8.2014)