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Billige Junge, teure Ältere: Die vergleichsweise steile Einkommenskurve in Österreich wird von manchen Experten als Hindernis für mehr Beschäftigung erachtet.

APA

Wien - Seit Jahren wird über eine Abflachung der Lebenseinkommenskurve zur Anhebung der Beschäftigung Älterer diskutiert, nun lässt der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, mit einem neuen Vorschlag aufhorchen. Im Standard präsentiert er ein Modell, bei dem Junge weniger, Ältere mehr Pensionsbeiträge zahlen

Der Übergang wäre fließend und würde bewirken, dass Ältere aus Sicht des Arbeitgebers günstiger würden. Allerdings wäre die Umsetzung für diese Gruppe mit Einkommenseinbußen von fast zehn Prozent verbunden. Entsprechend groß wären die Gewinne für die Jungen. Derzeit macht die Spreizung bei Angestellten 80 Prozent aus.

Für die Pensionsversicherung wäre die Reform aufkommensneutral. Am Arbeitsmarkt würde die Umschichtung der Beiträge älterer Beschäftigter vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer Anreize für mehr Beschäftigung schaffen, hofft Johannes Kopf, der mit dem Vorschlag seine Privatmeinung vertritt.

Starker Anstieg der Arbeitslosigkeit

Dass es Handlungsbedarf gibt, zeigt die jüngste Entwicklung am österreichischen Arbeitsmarkt. Mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit bei über 50-Jährigen im Ausmaß von 17,2 Prozent im Juli kristallisiert sich diese Personengruppe immer mehr als Problemkreis am Jobmarkt heraus. Dennoch spalten die Rezepte zur Verhinderung von Freisetzung und Förderung von Wiedereinstellung Älterer die Sozialpartner. Die Arbeiten an einem Bonus-Malus-System für Unternehmen, das diese je nach Ausmaß der Beschäftigung Älterer bestraft oder belohnt, kommen trotz grundsätzlichen politischen Konsenses nicht weiter.

Nun verspricht das Sozialministerium für September einen neuen Anlauf. Experten zweifeln aber an der Wirksamkeit. Er erwarte dabei nur einen symbolischen Akt, meint dazu Ökonom Ulrich Schuh von EcoAustria. Vereinbart wurde in der Koalition nämlich, dass der Bonus-Malus vom Betrag her der jetzigen Kündigungsabgabe und damit rund 45 Millionen Euro entsprechen soll.

Quotendiskussion

Generell erachtet Schuh das Modell nicht als treffsicher. Auch Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte am Institut für Höhere Studien, hält nichts von Quoten: "Das funktioniert auch bei Behinderten nicht." Schuh plädiert für Anreize, um Ältere wieder in Beschäftigung zu bringen. Und spricht dabei gleich einen kontroversiellen Punkt an: In Dänemark beispielsweise orientiere sich das Arbeitslosengeld weniger stark am Letzteinkommen als in Österreich. Gerade vor ihrem Jobaustritt gut verdienende Personen würden finanziell nicht besser abschneiden, wenn sie einen neuen Arbeitsplatz finden. Hier hält Schuh Reformen in Richtung dänisches Modell für sinnvoll.

Zudem spricht er sich für gezielte Förderungen für die Reintegration von älteren Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt aus. Allgemeinere Systeme, bei denen die Arbeitskraft durch die Senkung von Sozialbeiträgen für den Dienstgeber verbilligt wird, findet er nicht zielführend. Das führe zu hohen Mitnahmeeffekten, weil ein Gros der Älteren auch ohne Förderung in Beschäftigung bleibe. Auch in diesem Punkt sind Schuh und Hofer einer Meinung. Letzterer verweist darauf, dass bereits praktizierte Beitragsreduktionen für Ältere "nicht wirklich erfolgreich" gewesen seien.

Steile Einkommenskurve

Bei den oft kritisierten automatischen Vorrückungen, die sich in den meisten Kollektivverträgen finden, sei schon viel korrigiert worden. Allerdings dauere es wegen der langen Vorlaufzeiten, bis die Einkommenskurve tatsächlich flacher werde, so Hofer. Hier zeigen Untersuchungen des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, dass Österreich zu den Ländern mit den höchsten Einkommenszuwächsen über das Erwerbsleben hinweg zählt. "Empirisch gesehen sind steile Alters-Lohn-Profile eindeutig ein wesentliches Hemmnis für die Erwerbsquoten älterer Arbeitnehmer", heißt es dazu in einer Studie. Demnach verdienen Männer im Alter von 60 bis 65 das 2,31-Fache der 25- bis 29-Jährigen. Bei Frauen beträgt der Faktor 1,75. Laut Schuh sind diese Vergleiche kaum aussagekräftig, weil sich unter den Älteren viele hochbezahlte Führungskräfte befinden.

Gegen Automatismus

Zentral ist für Hofer, dass die Produktivität mit steigendem Alter und Einkommen mithalte. Wenn diese Relation stimme, seien Lohnzuwächse ja etwas Positives. Der IHS-Experte räumt ein, dass automatische Vorrückungen ungünstig seien - Gehaltserhöhungen sollten stärker auf betrieblicher Ebene vereinbart werden. Das Europäische Zentrum meint, dass die steigenden Löhne oft nicht in Einklang mit der Produktivität stünden.

EcoAustria-Mann Schuh plädiert außerdem dafür, die Pensionslücken konsequent zu schließen. In Deutschland habe man dadurch "erhebliche Fortschritte" bei der Beschäftigung Älterer erzielt. Unterbringen ließe sich die Gruppe am Arbeitsmarkt, wenn gezielte Begleitmaßnahmen gesetzt würden, ist Schuh überzeugt. (as; DER STANDARD, 23.8.2014)