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Foto: APA/Frank Stefan Kimmel

Studium in Delhi, Oxford und Heidelberg; Arbeitsverträge an diversen europäischen Universitäten; zeitweise Steuererklärungen in vier Staaten; Kenntnisse in sieben Sprachen: Das Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) hat mit Sozialanthropologin Shalini Randeria eine Frau zur Rektorin erkoren, deren Biografie den Begriff "Weltbürgerin" nahelegt.

Ihre Kindheit verbrachte die 1955 in Washington, D.C. Geborene in einer wohlhabenden, aber unkonventionellen indischen Familie. Ihre Geschichte habe sie für die spätere Karriere als Soziologin und Anthropologin geprägt, hat sie der Zeit einmal erzählt.

Ihr Großvater war einer der Autoren der indischen Verfassung und später Botschafter in den USA; die Eltern waren Unterstützer der indischen Unabhängigkeitsbewegung und Aktivisten gegen das Kastenwesen. Sie selbst sollte ihren Schwerpunkt später auf das Zusammenspiel zwischen Recht, postkolonialen Gesellschaften und der Globalisierung legen.

Wenn Randeria, die 1977 als erste Frau überhaupt mit dem renommierten Rhodes-Stipendium nach Oxford kam, im Jänner das IWM-Rektorat übernimmt, bedeutet das für das Institut auch ein neues Kapitel. Schon im Vorfeld hat sie angekündigt, den geografischen Fokus der Forschungseinrichtung, die vor mehr als 30 Jahren im Kontext des zwischen Ost und West geteilten Europa gegründet worden war, erweitern zu wollen. Das Geschick, das ihr Freunde im Umgang mit Menschen verschiedener Kulturen attestieren, wird ihr auch dabei gewiss entgegenkommen - so wie vor rund zehn Jahren, als sie an der Central European University in Budapest den Fachbereich für Soziologie und Sozialanthropologie mit aufbaute.

Bei ihren Stationen an deutschsprachigen Hochschulen - Professuren in Berlin, Zürich, Genf und eine Sir-Peter-Ustinov-Gastprofessur am Zeitgeschichte-Institut der Uni Wien - seien ihr strukturelle Hürden für Frauen aufgefallen, die es in Südasien so nicht gebe. Dort sei es völlig normal, Kinder und akademische Karriere zu vereinbaren. Hier seien ihr oft besorgte Fragen nach dem Wohlergehen ihrer mittlerweile 21-jährigen Tochter entgegengeschlagen.

Ihre indischen Wurzeln hat sie trotz der wissenschaftlichen Verankerung im Ausland nie vergessen; immer wieder betreibt sie im Sommer Feldforschung auf dem Subkontinent - zuletzt hinsichtlich Fragen der außergerichtlichen Konfliktlösung. (Manuel Escher, DER STANDARD, 23. 8. 2014)