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Demonstration in Berlin: Wird eine ganze Generation billigst zur Profit- maximierung ausgebeutet?

Foto: AP/Lang

Wien - Dieses Gesicht der Arbeitswelt sieht so aus: kein Job ohne viel Praxiserfahrung. Deswegen schon während Ausbildung und Studium rein in die Firmen und dankbar gratis volontieren und Praktika absolvieren, bezahlt wird von Mama und Papa oder aus den Einkünften des Nebenjobs. Ein Eintrittsticket, eine Investition in den künftigen Beruf. Brav.

Nach dem (Hochschul-)Abschluss kommt das Erwachen: gierige, skrupellose Firmen, die erneut nichts weiter anbieten als seriell Praktika um je ein paar hundert Euro, die reguläre Arbeitsverhältnisse, Karenzvertretungen tarnen und Kapazitätsspitzen abdecken. So hocken Akademiker mit Mitte 30 noch immer in der WG, in der Warteschleife auf die Chance, sich selbst zu erhalten und ein Leben aufzubauen.

Handeln gegen Ausbeutung

"Generation Praktikum" hat die Deutsche Gewerkschaft dafür vor zehn Jahren als Schreckensbegriff geprägt. Jetzt wurde gegen solche Ausbeutung gehandelt: Ab kommendem Jahr gilt in Deutschland ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für alle Branchen und alle Beschäftigten ab 18 mit abgeschlossener Ausbildung.

Freiwillige Praktika sind in die Regelung eingeschlossen, wenn sie länger als drei Monate dauern. "Damit ist das Praktikum tot", geht nun als Aufschrei durch die deutsche Wirtschaft. Die EU hat 2011 lediglich Empfehlungen verabschiedet - dies auf Basis des Verdachts, dass ein Drittel der Praktika in der Union umgangene Arbeitsverhältnisse darstellten. Und in Österreich?

Entlohnung freiwilliger Praktika ist in vielen Kollektivverträgen bereits festgeschrieben. Einen Mindestlohn will nicht einmal die Gewerkschaft: zu starr, zu viel Gefahr der Nivellierung nach unten, sagen Vertreter der mächtigen Branchenflügel. Österreich setzt auf Bewusstseinsbildung in der Variante "scharf": Seit Juli ist via GPA und Sozialministerium eine Whistleblower-Hotline eingerichtet: via www.watchlist-praktikum.at können Umgehungen von Arbeitsverhältnissen gemeldet werden, dann wird die Krankenkasse zwecks Überprüfung geschickt.

Bei zigtausenden freiwilligen Praktika pro Jahr würden zwei Drittel nicht ordnungsgemäß deklariert, vermutet Helmut Gotthartsleitner, Bundesjugendsekretär der GPA: "Das Problem ist, dass alles leicht einklagbar wäre - aber die Leute melden sich nicht offiziell, weil sie Angst haben, dann ganz und für immer aus dem Arbeitsleben zu fliegen."

Prekäre Situation

Für Hochschulabsolventen sei vor allem die Praktikumsschleife der Grund- und Integrativwissenschafter und der Geisteswissenschafter dramatisch prekär. Besonders im Verdacht demnach: die Werbe- und Medienbranche, die Architektur und der Sozial- sowie der NGO-Bereich. Einige Tausend Meldungen registriert Gotthartsleitner bereits, einige Meldungen an die Gebietskrankenkassen seien daraus schon erfolgt.

Wie genau sieht die Lage in Österreich aus? Das Bild bleibt dunkelgrau. Die vorliegenden Studien widersprechen einander: Eine Generation Praktikum gebe es nicht, belegt eine Studie des Zentrums für Hochschulforschung in Kassel, die der damalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle präsentiert hatte: Fast die Hälfte der Uni und Fachhochschulabsolventen haben gleich nach Abschluss einen regulären Fixjob, weitere 80 Prozent sechs Monate später.

Zum gegenteiligen Schluss kommt die Forba - Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt: Nur ein Drittel der Praktika sei angemessen bezahlt. Häufig werde Vollzeitarbeit falsch deklariert. Handfestes statistisches Material fehlt. Bis jetzt wollte niemand das Eintrittsticket in die "richtige" Arbeitswelt entwerten. (Karin Bauer, DER STANDARD, 25.8.2014)