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Wer in Österreich als Privater insolvent wird, muss sieben Jahre lang jeden Euro mehrmals umdrehen: Das Einkommen Betroffener wird bis auf das Existenzminimum gepfändet.

Foto: APA/DPA/Gepert

Wien - Mehr als 9000 Privatpersonen waren im Jahr 2013 in Österreich so hoch verschuldet, dass ihr einziger Ausweg ein Insolvenzverfahren und damit ein Privatkonkurs war. Bei fast 1200 Menschen waren die Schulden sogar so hoch, dass die Eröffnung eines Verfahrens gar nicht mehr möglich war: Ein Privatkonkurs wurde abgewiesen, weil das Vermögen nicht einmal ausgereicht hätte, um die anfallenden Gerichtskosten zu decken. Das geht aus einer aktuellen Anfragebeantwortung von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hervor.

Die Gruppe der Betroffenen ist gegenüber dem Vorjahr um 100 Personen angestiegen. Laut Albert Steinhauser, Anfragensteller und Justizsprecher der Grünen, handelt es sich um keine neue Entwicklung: "Seit 2004 gibt es jährlich über 1000 Anträge, die abgewiesen werden müssen", sagt er zum STANDARD

9000 Privatkonkurs-Kandidaten

Jene 9000 Personen, für die 2013 der Privatkonkurs noch infrage kam, haben in Österreich zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht, mit den Gläubigern einen Zahlungsplan auszuhandeln - man einigt sich also auf eine gewisse Schuldentilgungsquote, die in den nächsten fünf bis sieben Jahren bezahlt werden soll.

Wenn keine Einigung mit den Gläubigern mehr möglich ist, kommt es zu einem Abschöpfungsverfahren. Hier werden die Einkünfte des Schuldners für den Zeitraum der nächsten sieben Jahre bis auf das Existenzminimum abgeschöpft und auf die Gläubiger verteilt. Voraussetzung ist allerdings, dass in sieben Jahren zumindest zehn Prozent der Schulden getilgt werden können.

Grüne: Hürden zu hoch

Die Grünen sehen Reformbedarf, denn selbst die "niedrigeren Hürden" seien für viele grundsätzlich zahlungswillige Schuldner viel zu hoch. Aus der Anfragenbeantwortung des Justizministeriums geht hervor, dass im Jahr 2004 insgesamt 932 Abschöpfungsverfahren eingeleitet wurden. Nach sieben Jahren erfolgte im Jahr 2011 aber nur in 791 Fällen eine Restschuldbefreiung.

Den Großteil der Differenz stellt die Anzahl jener Personen dar, bei denen nach sieben Jahren keine Restschuldbefreiung ausgesprochen werden konnte. "Nach der langen Zeit eines Lebens am Existenzminimum droht ihnen, auf ihren alten Schulden sitzen zu bleiben und nie einen Ausweg aus der Misere finden zu können", sagt Steinhauser.

Geschäft mit den Schuldnern

Der Grüne nimmt Brandstetter in die Pflicht: "Dass es noch immer nicht zu einer Novellierung der Verfahren gekommen ist, dürfte an den Kreditorenverbänden und Inkassoinstituten liegen, die sich gegen eine Reform sträuben. Für sie ist das Geschäft mit den Schuldnern und ihren Gläubigern eine lukrative Einnahmequelle."

Österreich hat mit einer Abschöpfungsphase von sieben Jahren eine der längsten in Europa; der Durchschnitt liegt hier bei fünf Jahren. Manche Länder, etwa Großbritannien oder die Niederlande, haben sogar nur Phasen von maximal drei Jahren. Steinhauser fordert für Österreich eine Angleichung auf das europäische Durchschnittsniveau. Gleichzeitig will er die Mindestquote von zehn Prozent streichen, diese gebe es in Europa bis auf Österreich nur noch in Tschechien.

Ministerium: keine Änderungspläne

Aus dem Ministerium heißt es, dass eine Reform der Privatkonkurse derzeit nicht in Arbeit sei: Sie stehe nicht im aktuellen Regierungsprogramm, möglicherweise werde man aber im Laufe der Legislaturperiode noch Zeit dafür finden, sagt eine Sprecherin. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 25.8.2014)