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George Plimptons Biografie von Truman Capote ergibt das plastische Porträt eines intensiven, wider- sprüchlichen Lebens. Nun ist es auf Deutsch erschienen. Das Bild zeigt den großen US-amerikanischen Schriftsteller in den 1960er-Jahren.

Foto: AP

Wien - Tucson, Arizona, in den Vierzigern. Monroeville, Alabama, in den Dreißigern des letzten Jahrhunderts. Einmal Trailerpark. Im anderen Fall eine Pflegefamilie. Zweimal ein kometenhafter Aufstieg. Da Susan Sontag, die zur bekanntesten New Yorker Intellektuellen wurde. Und dort Truman Capote, der in den 1960er-Jahren der wohl weltweit bekannteste New Yorker Autor seiner Generation war, koboldgleich, flamboyant, dandyhaft, schwul. Und der doch heute eher ein halbes Gerücht ist, denn wirklich gelesen wird.

Literarische Sensation mit 23

Die Mehrzahl nämlich dürfte mit seinem Namen weniger Bücher als vielmehr Filmwerke assoziieren: Kaltblütig, Frühstück bei Tiffany mit Audrey Hepburn, wobei der Kurzroman gänzlich anders ist als die berühmte Verfilmung, sowie Capote (2007) mit Philip Seymour Hoffman in einer seiner besten Darstellungen. Hat dieser doch den mit einer quäkenden Fistelstimme ausgestatteten hochsensiblen Capote mit rasender Intensität und Abgründigkeit verkörpert.

Capote wusste mit 14 Jahren schon, was er im Leben einzig wollte: schreiben. Und er avancierte mit 23 zur literarischen Sensation ob einer Fotografie, die ihn als sinnlich lockenden blonden Epheben hingegossen auf ein Sofa zeigte. Was die Extreme in Capotes knapp 60-jährigem Leben mit größtmöglicher Eindringlichkeit traf.

In deutscher Übersetzung sind seine Bücher über mehrere Verlage verteilt. Mit besonderer Intensität hat sich seit zehn Jahren der Zürcher Verlag Kein & Aber Capotes Werk angenommen, inklusive einer Werkausgabe. Nun ist rechtzeitig zu Truman Capotes 30. Todestag - wie zu seinem 90. Geburtstag am 30. September dieses Jahres - George Plimptons große, gewichtige und großartige Biografie Truman Capotes turbulentes Leben kolportiert von Freunden, Feinden, Bewunderern und Konkurrenten erschienen, (Rogner & Bernhard), im Original bereits 1997 publiziert.

Der New Yorker George Plimpton (1927-2003), Gründer der Zeitschrift Partisan Review und fünf Jahrzehnte lang deren Herausgeber honoris causa, begeisterter Feuerwerker, Sportreporter und Essayist, montiert Zitate aus Gesprächen, Interviews und Aufzeichnungen mit rund 130 Freunden, Bekannten, Kurzzeitbegleitern, Rivalen wie Norman Mailer und Feinden wie Gore Vidal zu einer Biografie, wie sie faszinierender kaum sein könnte. Und auch nicht realistischer.

Abhängig und eitel

Denn es tauchen sowohl die Widersprüche und Legenden auf, die Ambivalenzen, Abhängigkeiten, emotional, flüssig und in Pulver- und Tablettenform, die Eitelkeiten, Lügen und Schwächen Capotes. Wie die Widersprüche, deckungslosen Erinnerungen, bewussten Verzerrungen und Karikaturen der Auskunft Gebenden zutage treten. Ebendies macht diesen Band so ertragreich, so plastisch, so lebendig, so unterhaltsam.

Der Lebensbogen wird umrissen. Indirekt und dokumentarisch gespiegelt. Und alles mündlich. Vielleicht ist dies der beste Zugang zu Capote, der ja selbst ein begnadeter Causeur war, ein Geschichtenerzähler, ein benebelnder Hofnarr und talentierter Lügenschmied, weswegen er auch so beliebt war bei der New Yorker High Snobiety, dem Geldadel der 1960er-Jahre. Der ihn 1975, als Auszüge aus seinem satirischen Zerrspiegel Erhörte Gebete erschienen waren, gnadenlos fallen ließ. Und sozial ausspie. Daher waren Capotes letzte neun Lebensjahre so krisenhaft, so drogenbehaftet und hedonistisch depressionsschwer. Und doch: Wenn er schrieb, etwa für Andy Warhols Magazin Interview, brachte er Sprachkunstwerke zu Papier. Die ja vor allem seine Arbeiten von 1946, von Miriam und Baum der Nacht über Die Grasharfe bis zum Weltbestseller Kaltblütig von 1966 waren. Dann, 1980, Musik für Chamäleons. Und die in Porträts and Observations gesammelten Essays und Aufsätze.

Lebensleere und Sprachzärtlichkeit

Neben Gerald Clarkes monumentaler Capote-Biografie ist jene Plimptons die klügste und zugänglichste Einführung in das Leben und Schreiben Capotes, der 1984 in Los Angeles an einer Überdosis Tabletten starb. In seine Träume, Ambitionen und das Scheitern, in den Sarkasmus des am Lebensende als "Kröte" Geziehenen, weil er so aufgedunsen war. In die Lebensleere und die Sprachzärtlichkeit dieses so viele andere überragenden Dichters; einen der vier, fünf besten Nordamerikas seit 1945.

Zeit, Capote wieder zu lesen. Hier. Heute. Morgen. Wie schrieb er in Andere Stimmen, andere Räume: "Das Gehirn mag Rat annehmen, aber nicht das Herz, und da Liebe keinen Ort hat, kennt sie keine Grenzen." (Alexander Kluy, DER STANDARD, 25.8.2014)